Prinzipien

wer reguliert den Cyberspace?

Das WorldWideWeb (WWW) feiert seinen 20. Geburtstag, und doch scheint es, dass die Politik erst jetzt seine Bedeutung realisiert und prompt nach Kontrolle ruft. Anlass genug für Wolfgang Kleinwächter, Professor für Internetpolitik und -regulierung an der Universität Aarhus, sich mit der »Prinzipienschwemme im Cyberspace« zu befassen.

Man schrieb den 6. August 1991, als der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee am Genfer CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) in der Newsgroup alt.hypertext eine kurze Zusammenfassung eines Projekts veröffentlichte, das er »WorldWideWeb« getauft hatte. Die UdSSR stand kurz vor der Auflösung und nur wenige Wochen später sollte ein Eismann mit dem Namen Ötzi die Medien beherrschen – kurzum, kein Politiker verschwendete einen Gedanken daran, ob und wie dieses »WWW« reguliert werden müsste. 20 Jahre später haben sich die Vorzeichen radikal geändert; als sich im Mai 2011 die Gruppe der acht größten Industrienationen (G8) im französischen Deauville traf und eine 15seitige Erklärung veröffentlichte, betrafen allein drei Seiten das Internet (dessen Teil das WWW ist) verbunden mit der Forderung, gemeinsame Rahmenbedingungen für seine zukünftige Entwicklung zu schaffen. Und auch OECD, OSZE, NATO, die EU-Kommission oder der Europarat suchen nach grundsätzlichen Regelungen. Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich für Kleinwächter die Frage: »Was wird rauskommen aus diesem staatlichen Prinzipien-Aktionismus?«

Die klassischen Antworten sind bekannt: dort der Privatsektor, der den Grundsatz der Selbstregulierung hochhält, da die Politik, die nach staatlicher Führung ruft. Für Kleinwächter bietet sich ein Mittelweg an, den er »Soft Law« nennt und der sich an die Grundsätze der »Netiquette« anlehnt, also das Benehmen in der Kommunikation im Internet; er wendet sich aber nicht nur an die Internet-Community, sondern an alle Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft. Dieser Soft-Law-Ansatz würde es erlauben, dass staatliche und nicht-staatliche Akteure bei der Entwicklung politisch-rechtlicher Rahmenbedingungen im Internet kooperieren, wie die Allgemeine Menschenrechtserklärung der UN vom Jahre 1948. Er räumt jedoch ein, dass der Teufel im Detail steckt; für die einen steht die Sicherheit des Internets an oberster Stelle, für die anderen die Menschenrechte und die individuellen Freiheiten. Aufgabe ist es daher, den Mittelweg zu finden, eine außerordentlich komplizierte Herausforderung, die an Komplexität kaum zu übertreffen ist. Nach Ansicht von Kleinwächter entsteht praktisch ein magisches Viereck, in dem Menschenrechte, Sicherheit, Wirtschaftswachstum und Entwicklung im Cyberspace neu gegen- und miteinander ausgewogen werden müssen. Kleinwächter fordert nichts weniger als eine neue Internetdiplomatie des 21. Jahrhunderts; einen Weg zurück in die Politik von oben gibt es nicht. Internet Governance wird damit zu einem der wichtigsten politischen Schlachtfelder der kommenden Jahre.

Was auf den ersten Blick grau und abstrakt klingt, hat auch für das Domain Name System elementare Bedeutung. Wie sehr zum Beispiel die Internet-Verwaltung ICANN mit dem Drängen auf die Einführung neuer Domain-Endungen manchmal auf der Rasierklinge reitet, zeigt der erste Artikel in diesem Newsletter. Und die Rolle von ICANN ist keineswegs gefestigt, wie die Angriffe von EU-Kommissarin Neelie Kroes zeigen. Die Frage ist nur, wer wem wann Grenzen setzt. Und wo.

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