KI

UDRP-Streit um chatgpt.com außergerichtlich beendet

Ende 2022 wurde OpenAI mit ChatPGP sehr populär. Im April 2023 berichteten wir, dass OpenAI vor der WIPO ein UDRP-Verfahren gegen den Inhaber der Domain chatgpt.com (WIPO Case D2023-1389) führt – ein Beispiel schlechter Marken- und Domainstrategie. Mittlerweile zeigt sich, dass das UDRP-Verfahren »terminated« (beendet) ist und chatgpt.com auf die Seite chat.openai.com von OpenIA weiterleitet.

Im April bezweifelten wir, dass OpenAI das UDRP-Verfahren um chatgpt.com erfolgreich führen würde: Die Domain wurde am 30. November 2022 registriert, während OpenAI seine Wortmarke erst am 21. Dezember 2022 beim US-Patent- und Markenamt (USPTO) beantragt hatte, sowie am 03. Februar 2023 beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum, dem schweizer »Markenamt«, bei dem sie allerdings schon wenige Tage später, am 22. Februar 2023, auch eingetragen wurde. Zugleich war unklar, wer Gegner des Verfahrens ist. Im Zuge des Verfahrens wurde aber der eingetragene Privacy-Eintrag aufgehoben und der Inhaber sichtbar. Laut Domain-Investor Elliot Silver handelte es sich um die Unternehmung »Matrix« mit Sitz in Puerto Rico. Mittlerweile zeigt sich im WHOIS nicht mehr der Inhaber, aber es weist aus, dass am 07. September 2023 Änderungen vorgenommen wurden. Dies und die Umstände, dass das UDRP-Verfahren den Status »terminated« und die Domain eine Weiterleitung aufweist, lässt darauf schließen, dass sich die Parteien geeinigt haben. Wahrscheinlich ist die Domain sogar zu einem guten Preis verkauft worden, oder zumindest verpachtet.

Ob das WHOIS tatsächlich bereits ausweisen würde, dass OpenAI Inhaber ist, wird von Silver bezweifelt, da er zurecht annimmt, dass eine WHOIS-Änderung während eines UDRP-Verfahrens nicht vorgenommen werden kann. Aber seine Mutmaßungen veröffentlichte er am 11. September 2023, einem Zeitpunkt, zu dem die auf den 07. September 2023 um 22:59:57 Uhr lautenden Änderungen im WHOIS möglicherweise noch nicht dargestellt wurden. Es steht zu vermuten, dass Matrix für die Domain ein ordentliches Handgeld erzielt hat. Klar ist das allerdings keinesfalls. Das UDRP-Verfahren jedenfalls ist beendet. Die Parteien werden sich »außergerichtlich« geeinigt haben, was sicherlich im höchsten Interesse von OpenAI liegen mußte: denn die Chancen waren gering, dass das UDRP-Verfahren ohne weiteres zu Gunsten von OpenAI ausgeht. Aber selbst wenn es zu deren Gunsten ausgegangen wäre, so stellt Silver fest, bestünde die Möglichkeit, die Domain für OpenAI noch lange zu blockieren, wenn Matrix zur Klärung einer potentiell falschen UDRP-Entscheidung die Zivilgerichte angerufen hätte. Bei dem, was mit ChatGPT bei OpenAI auf dem Spiel stand, war eine frühzeitige Einigung mit dem Domain-Inhaber geboten.

Der Ausgang des UDRP-Verfahrens bleibt also offen, weil OpenAI mutmaßlich in direkte Verhandlungen mit Matrix eingestiegen ist, eine Einigung erzielt wurde und das UDRP-Verfahren beendet werden konnte. Gleichwohl zeigt die Sache, wie wichtig es für Unternehmen ist, Rechtsfragen und vor allem die Marken- und Domain-Strategie frühzeitig zu behandeln.

ccTLDs

Die österreichische Endung .at ist die Endung der Wahl in Österreich

Wie wichtig ist eine eigene Domain? Wie sieht es mit der Bekanntheit von .at in Österreich aus? Gemeinsam mit dem Online-Marktforschungsinstitut Marketagent.com hat die .at-Verwalterin Nic.at die österreichische Bevölkerung rund um die Themen Online-Verhalten und Domains befragt.

Das Ergebnis: 96,9 Prozent der befragten Personen kennen die Endung .at, und 81,2 Prozent würden sich im Fall einer Registrierung für eine .at-Domain entscheiden. Sie gilt als solide, etabliert und sympathisch. 91,3 Prozent sagen, dass Unternehmen und Organisationen eine eigene Domain besitzen sollten. Fast die Hälfte findet es dagegen unseriös, wenn sie keine eigene Webseite haben, und für 77,6 Prozent ist .at die beste Wahl für Firmen, Privatpersonen und Organisationen in Österreich. Auch bei der Internetsuche wird an erster Stelle eine .at-Domain erwartet: Werden verschiedene Ergebnisse eingeblendet, klicken 54,6 Prozent auf die Domain mit dem entsprechenden Firmennamen mit der Endung .at. Neu eingeführte Top Level Domains wie .app oder .theater haben sich dagegen nicht durchgesetzt: 44,4 Prozent der Befragten kennen diese Endungen nicht. Wer mehr wissen will: die Consumer Survey 2023 von Nic.at steht ab sofort zum kostenlosen Download bereit.

UA

WhatsApp nutzt unvollständige TLD-Listen bei der Verarbeitung von Domains

Die mangelhafte Unterstützung neuer Top Level Domains in Software-Anwendungen wie dem Messenger-Dienst WhatsApp liegt möglicherweise allein daran, dass veraltete Daten genutzt werden. Das berichtet ein Mitarbeiter der .tube-Registry Latin American Telecom LLC.

Spätestens mit dem nTLD-Programm im Jahr 2012 hat sich die Domain-Landschaft gemessen an der Zahl der verfügbaren TLDs, der TLD-Zeichenlänge und der verfügbaren Skripte erheblich verändert. Mittlerweile stehen mehr als 1.200 Domain-Endungen zur Auswahl, eine Vielzahl davon frei zugänglich. Doch während etablierte Zwei- und Drei-Zeichen-TLDs wie .de oder .com unproblematisch sind, wird nicht jede Top Level Domain von allen Internet-Clients wie Webbrowsern, eMail-Programmen und Routern akzeptiert. Universal Acceptance (UA) gilt deshalb als Grundvoraussetzung für den weiteren Ausbau des Internets; durch UA will ICANN sicherstellen, dass jedermann weltweit die soziale und wirtschaftliche Macht des Internets mit der von ihm gewählten Domain erleben kann, die am besten zu seinen Interessen, seinem Geschäft, seiner Kultur, seiner Sprache und seiner Schrift passt. Rami Schwartz von der .tube-Registry Latin American Telecom LLC fand nun heraus, dass der Messengerdienst WhatsApp – der nach Unternehmensangaben weltweit über zwei Milliarden aktive Nutzer hat – zahlreiche neu eingeführte Endungen wie .africa, .amazon oder .tube in Domains nicht als Link erkennt (»linkifying«). Gibt ein Nutzer zum Beispiel die Domain nic.tube in WhatsApp ein, erscheint sie daher als bloßer Text, obwohl sie bereits am 07. Januar 2016 delegiert wurde. Zwar kann man das umgehen, indem man https:// oder www. vor die Domain setzt (und damit sogar nicht existente Domain-Namen wie https://nic.vladimirputinwar verlinken); andere neu eingeführte Endungen wie .london, .microsoft oder .xyz werden jedoch auch ohne diesen Umweg als Link dargestellt.

Die weiteren Recherchen von Schwartz förderten zu Tage, dass alle Domains mit nTLDs, die vor November 2015 delegiert wurden, verlinkt werden. Bei Domains mit nTLDs, die erst nach Dezember 2015 delegiert wurden, bleibt das »linkifying« dagegen aus. Der dazwischen liegende Zeitraum gilt als Graubereich, in dem rund die Hälfte der nTLDs korrekt als Link dargestellt werden. So wird zum Beispiel .audi (delegiert am 17. November 2015) nicht korrekt dargestellt, .broadway (delegiert am 16. November 2015) schon. Dieses Ergebnis hat Schwartz in einer Excel-Liste zusammengefasst und bei github.com veröffentlicht; prompt folgte eine rege Diskussion. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass eine Bibliotheksdatei im Betriebssytem Android eine Liste gültiger nTLDs verwendet, die seit dem 24. November 2015 nicht mehr aktualisiert wurde. Jede App, die sich auf Android verlässt, um eine Top Level Domain zu validieren, kann daher für das Problem anfällig sein – jede TLD, die jünger als sieben Jahre ist, wird nicht validiert. Schwartz berichtet weiter, dass er die gleichen Probleme mit der Facebook-App auf Android-Geräten erlebt hat. Für ihn ist eine Lösung des Problems existentiell, da er .tube-Domains in URL-Verkürzern vermarkten will, also in Werkzeugen wie Bitly, Short.io oder Ow.ly, die lange und komplexe URLs in kürzere Links umwandeln. Schwartz meint:

I can’t launch this now if it’s not going to work in WhatsApp, if it’s not going to work in Facebook.

Schwartz hat nach eigenen Angaben sowohl Meta Platforms Inc. als auch die Internet-Verwaltung ICANN und die 2015 ins Leben gerufene Universal Acceptance Steering Group (UASG) informiert. Dort soll man lediglich darauf hingewiesen haben, nichts tun zu können; eine offiziell bestätigte Stellungnahme von ICANN gibt es aber bisher nicht.

ccTLD

EIS versteigert .ee-Premium-Domains

Die Eesti Interneti Sihtasutus (EIS), Verwalterin der estnischen Länder-Endung .ee, hat Domains mit nur einem Zeichen zur Registrierung frei gegeben.

Im Jahr 2011 reservierte die Registry alle .ee-Domains mit Namen estnischer Verwaltungseinheiten, ausländischer Länder sowie einzelnen Buchstaben und Zahlen, um sie Institutionen mit einem berechtigten Interesse zur Verfügung zu stellen. Während viele dieser reservierten Domains in den vergangenen 12 Jahren einen Inhaber gefunden haben, sind jene Adressen, die in dieser Zeit kein Interesse gefunden haben, nun für jedermann weltweit verfügbar. Sie werden in begrenzten wöchentlichen Losen versteigert, um sicherzustellen, dass die Interessenten genügend Zeit haben, um ein Gebot abzugeben. Die Domain-Namen werden im Rahmen einer sogenannten »englischen Auktion« mit offenen Geboten auf den Markt gebracht; damit sind alle abgegebenen Gebote für die Auktionsteilnehmer in Echtzeit sichtbar. Die Erlöse aus der Versteigerung fließen in die Entwicklung der Effizienz von .ee und in die Verbesserung der Sicherheit des estnischen Internets.

Auf diese Weise tragen die Auktionsteilnehmer dazu bei, das Internet in Estland besser zu machen,

so Heiki Sibul, Vorstandsmitglied von EIS. Auftakt für die Auktion war bereits am 12. September 2023.

WIPO

Zwei eindeutige Markenverletzungen durch Domains bringen erfolgreiche UDRP-Verfahren

Gleich zwei aktuelle UDRP-Entscheidungen zeigen, auf was für Domains man als Markenunternehmen sein Augenmerk richten muss. Philip Morris erstritt sich die irre Domain iiiiiiiiiitehraniqosiiiiiiiiii.com, und Boehringer Ingelheim errang die intelligente boehringer-ingelheim.ai.

iiiiiiiiiitehraniqosiiiiiiiiii.com
Im ersten Streit ging die in der Schweiz ansässige Philip Morris Products S.A. gegen den im Iran sitzenden Saeed Farahani, Persian ART vor, der die Domain iiiiiiiiiitehraniqosiiiiiiiiii.com am 14. Januar 2023 registrierte. Philip Morris ist seit 2014 Inhaber eines umfangreichen Marken-Portfolios zu „IQOS“ und vertreibt seine Tabakprodukte in 71 Ländern, allerdings nicht im Iran. Der Gegner hatte bis zum UDRP-Verfahren unter der Domain iiiiiiiiiitehraniqosiiiiiiiiii.com eine arabischsprachige Website geschaltet, auf der IQOS-Produkte und urheberrechtlich geschütztes Marketingmaterial sowie Konkurrenzprodukte Dritter für den iranischen Markt angeboten wurden. Im UDRP-Verfahren meldete sich der Gegner nicht. Als Entscheider kam der australische Rechtsanwalt Nicholas J.T. Smith zum Zuge, der der Beschwerde stattgab (WIPO Case No. D2023-2861).

Smith befand, dass die Marke „IQOS“ im Domain-Namen vollständig enthalten ist und die vielen »I«s und das Wort »tehran« eine Verwechslungsgefahr nicht verhindern. Das vom Gegner betriebene Geschäft sei nicht legitimiert gewesen, da es keine gutgläubige Nutzung der Domain darstelle. Smith führte den Oki Data Test durch, bei dem Voraussetzungen zu prüfen sind, deren Vorliegen oder Fehlen zeigen, ob eine berechtigte Nutzung der die Marke enthaltenden Domain durch Anbieten von den von der Marke bezeichneten Produkten vorliegt. Da der Gegner aber auf der Website nicht sein – nicht bestehendes – Verhältnis zur Beschwerdeführerin deutlich machte und auch Konkurrenzprodukte anbot, lagen die Voraussetzungen des »Oki Data Test« nicht vor und die Nutzung der Domain erwies sich als unberechtigt. Auch die Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung der Domain konnte Smith bestätigen, weshalb er der Beschwerdeführerin Recht gab und auf Transfer der Domain entschied.

boehringer-ingelheim.ai
Im Streit der deutschen Boehringer Ingelheim Pharma Gmbh & Co. KG gegen den Inhaber der Domain boehringer-ingelheim.ai war die Rechtslage klar. Boehringer Ingelheim besteht seit 1885 und ist spätestens seit 1959 Inhaberin zahlreicher Marken »Boehringer Ingelheim«, zudem seit 1995 Inhaberin der Domain boehringer-ingleheim.com. Der Gegner, der die Domain boehringer-ingelheim.ai am 18. April 2023 registrierte und im UDRP-Verfahren vor der WIPO nicht Stellung nahm, blieb aufgrund eines Privacy-Dienstes unbekannt. Die Domain verwies auf eine GoDaddy-Platzhalterseite, auf der sie zum Kauf angeboten wurde. Als Entscheider kam der australisch-neuseeländisch-irische Rechtsanwalt Alistair Payne zum Zuge.

Payne bestätigte die Beschwerde und entschied auf Transfer der Domain (WIPO Case No. DAI2023-0009). In zwei Sätzen stellte Payne die Identität von Marke und Domain fest. Er sah auch problemlos den Anscheinsbeweis seitens der Beschwerdeführerin geführt, da sie weltweit sehr bekannt ist, der Gegner unter dem Namen jedoch nicht, und die Beschwerdeführerin ihm die Nutzung ihrer Marke nicht erlaubt hat. Bei der Frage der Bösgläubigkeit ging Payne auf die Voraussetzung eines bösgläubigen passiven Haltens der Domain ein. Er bestätigte, dass die Marke der Beschwerdeführerin eine hohe Unterscheidungskraft besitzt; der Gegner habe sich nicht gemeldet und nutze einen Privacy-Service, bei dem nicht einmal die Anfrage der WIPO Klarheit schaffen konnte. Aufgrund all dieser Umstände und der hohen Bekanntheit der Marke sei es nicht vorstellbar, dass der Gegner die Domain zu einem redlichen Gebrauch nutzen könnte. Es sei höchstwahrscheinlich, dass er die Domain registriert habe, um sie teuer zu verkaufen. Damit stand die Bösgläubigkeit des Gegners bei Registrierung und Nutzung der Domain fest. Die Voraussetzungen der UDRP waren erfüllt, und Payne entschied auf Transfer der Domain.

Beide Fälle zeigen, wie Marken durch unbefugte Dritte für Domains mißbraucht werden und dabei einerseits auch abseitigste Abwandlungen und Verschleierungen des Markenbegriffs instrumentalisiert werden, oder eben einfach aktuelle Trends auf dem allgemeinen Markt, wie der zu .ai-Domains, wegen des Hypes um LLMs und KI-Systeme. Marken- und Domain-Beauftragte innerhalb von Unternehmen und Dienstleister für Unternehmen könnten zumindest im zweiten Fall frühzeitig Domains unter relevanten Endungen registrieren, um solche UDRP-Verfahren – und damit Kosten – zu vermeiden.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains AG.

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