In einem Streit um zwei Schweizer Domains zeigte sich im Vortrag der Parteien, dass das Verfahrensreglement für Domain-Namen unter den Endungen .ch und .li nicht geeignet ist, bestehende vertragsrechtliche Fragen zu klären.
Die am 20. Juli 2016 gegründete Schweizer Primestay Holding AG investiert in Unternehmen, die Immobilien entwickeln und managen, und bietet Dienstleistungen im Bereich Administration für diese Unternehmen an. Sie ist Inhaberin einer am 15. November 2016 beantragten und am 15. Mai 2017 eingetragenen Schweizer Marke »PRIMESTAY«. Weiter ist sie Inhaberin der am 06. Januar 2016 registrierten Domain primestay.com sowie der am 22. Mai 2016 registrierten Domain primestay.ch. Gegner ist die Primestay Residence AG, die im Jahr 1988 ursprünglich unter der Firma BFS Trading AG gegründet wurde und am 17. August 2016 zu Primestay Residence AG umfirmierte. Sie ist Inhaberin der am 30. August 2016 registrierten Domains primestay-residence.ch und primestayresidence.ch, die zu keiner aktiven Webseite führen. Beide Parteien des UDRP-Verfahren scheinen bis 2019 unter gemeinsamer Kontrolle gestanden zu haben. Auf Grundlage eines Vertrages vom 28. August 2019 verkauften Elvis Fazlic und Thomas Schmitt ihre gesamten Unternehmensanteile an der 3V Group AG, die Mutter der Gegnerin des UDRP-Verfahrens ist, an Mario Viazzoli. Am 18. und 20. Juni 2020 unterzeichneten die Verkäufer und der Käufer, auch im Namen der Beschwerdeführerin und der Gegnerin, eine Vereinbarung zur Beilegung bestimmter Streitpunkte. Wegen der Domains primestay-residence.ch und primestayresidence.ch startete die Primestay Holding AG ein UDRP-Verfahren, da sie ihre Rechte an dem seit Januar 2016 mit ihrer Domain primestay.ch (die auf primestay.com weiterleitet) genutzten Kennzeichen »PRIMESTAY« verletzt sieht. Die Gegnerin nutze den Begriff erst seit August 2016, als sie die Firma von BFS Trading AG zu Primestay Residence AG änderte. Die Beschwerdeführerin stützt sich dabei auf Art. 956 des Schweizer Obligationenrecht (OR), welches die Firma von Unternehmen schützt, das Schweizer UWG und das im Schweizer Zivilgesetzbuch geregelte Namensrecht.
Die Gegnerin hielt unter anderem entgegen, die Marke »PRIMESTAY« sei erst nachdem sie die Firma in Primestay Residence AG geändert hatte, beantragt worden; ihre beiden Domains primestay.ch und primestay.com nutze die Beschwerdeführerin erst seit kurzer Zeit und nur für eine statische Website. Die Gegnerin verweist darauf, dass die Beschwerdeführerin selbst bzw. ihre Vertreter die Domains primestay-residence.ch und primestayresidence.ch registriert hätte und ihm Rahmen des Verkaufs der Unternehmensanteile und der Änderung die Firma der Gegnerin von BFS Trading AG in Primestay Residence AG in die Hände der Gegnerin übertragen hätte und seitdem deren Nutzung durch die Gegnerin gebilligt habe. In der am 18. und 20. Juni 2020 getroffene Vereinbarung hätten die Vertragsparteien schließlich alle noch offenen Fragen geklärt, wobei die Gegnerin nicht verpflichtet worden wäre, ihre Firma zu ändern oder die Domains aufzugeben.
Als Entscheider wurde der Schweizer Rechtsanwalt Andrea Mondini tätig, der die Beschwerde zurückwies, weil es hier um Vertragsrechtsfragen gehe, die die Möglichkeiten des Verfahrensreglements für Streitbeilegungsverfahren für .CH und .LI Domain-Namen übersteige (WIPO Case No. DCH2024-0014). Er bestätigte, dass nach Schweizer Recht ein unterscheidungskräftiges Zeichen »PRIMESTAY« zugunsten der Beschwerdeführerin besteht. Dann aber stellte er einleitend fest, dass es sich in erster Linie um eine vertragliche Auseinandersetzung handele. Zum Zeitpunkt, da die streitbefangenen Domains registriert wurden, scheinen sich beide Parteien unter gemeinsamer Kontrolle befunden zu haben. Laut Handelsregister war Thomas Schmitt, einer der beiden Verkäufer, Vorstandsvorsitzender beider Unternehmen, womit die streitbefangenen Domains im Einverständnis mit der Beschwerdeführerin registriert wurden. Im damaligen Kaufvertrag war geregelt, dass die Käuferin den Namen »Prime Residence« bis zum 31. August 2020 verwenden darf. In der sich dann anschließenden, am 18. und 20. Juni 2020 getroffene Vereinbarung zur Klärung von Fragen ist eine Klausel enthalten, dernach alle Ansprüche zwischen den Parteien, einschließlich der von ihnen vertretenen Gesellschaften, vollständig und endgültig geregelt sind. Dies warf für Mondini Fragen zur Auslegung der Verträge und Vereinbarungen sowie deren Wirkung im Hinblick auf die streitbefangenen Domains auf, die über eine Vertragsauslegung nach Schweizer Recht zu klären seien. Aus diesem Grunde sei dies kein Fall im Anwendungsbereichs des Verfahrensreglements, sondern für ein staatliches Gerichtsverfahren, indem durch eine ordnungsgemäße Beweisaufnahme die Vertragsauslegung erfolgen könne.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.