Netzverwaltung

Wird ICANN durch INTA abgelöst?

Die Debatte um die Zukunft der Netzverwaltung steht erst am Anfang, Alternativmodelle zu ICANN sind daher rar. Der New Yorker Rechtsanwalt Nicholas Wells, Inhaber der Kanzlei Wells IP Law, wagt nun einen radikalen Vorschlag: die International Trademark Association (INTA) soll künftig Domains verwalten.

In einem Beitrag für sein Kanzleiblog macht Wells, der nach eigenen Angaben unter anderem für den Mischkonzern General Electric Company tätig war, keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen ICANN. Zwar habe ICANN mit der Einführung neuer Domain-Endungen das Trademark Clearinghouse etabliert; dieses arbeite aber mangelhaft. Unter dem Strich müsse jeder Inhaber einer bekannteren Marke besorgt sein, dass Domainer Varianten der Marke als Domain unter einer theoretisch unbegrenzten Anzahl von TLDs registriere. Spiegelbildlich könnte man die Marke noch unter jeder Endung registrieren – und die Domains dann verwalten. Wenn man wissen wolle, warum jeder Markeninhaber in dieses endlose Kosten- und Risikomanagement gezwängt werde, müsse man nur ICANN fragen. Doch das müsse nicht sein; Wells plädiert stattdessen für ein neues paralleles System von Domain-Namen, das abhängig vom Markenrecht sei, da dieses Recht geprüft und in jedem Land dieser Erde etabliert sei. Der logische Verwalter dieses parallelen Systems sei die INTA.

Um sein Modell umzusetzen, bedürfe es dreier Dinge. Als erstes müsse man einen neuen DNS Root Server aufsetzen; dies sei einfach, da die Software existiere und technische wie sicherheitsrelevante Systeme erst mit der Zunahme des Datenverkehrs wachsen müssten. An zweiter Stelle folgt dann die Einrichtung neuer Protokolle und Verfahren für die Registrierung von Domains und die Streitschlichtung. Hier wird Wells konkret: nach der Registrierung soll jede Domain der 30tägigen »opposition period« unterworfen werden, in der Dritte Beschwerde erheben können. Markenrechtlich geschützte Begriffe dürfen in Domains nur verwendet werden, wenn sie in der mit der TLD korrespondierenden Jurisdiktion (also bei ccTLDs) geschützt sind; bei generischen Endungen fordert Wells, dass die Marke in mindestens drei grösseren Ländern der Weltwirtschaft registriert sein muss. Allgemeinbeschreibende Begriffe will Wells per Lotterie vergeben. Bleiben Domains ungenutzt, sollen sie dem Inhaber entzogen und der Allgemeinheit wieder zugeführt werden. »Trafficking«, also das Generieren von möglichst vielen Besuchern auf einer Domain, will Wells sogar in der Regel verbieten. Im dritten Schritt plant Wells, dass dieses neue INTA-DNS publiziert wird, so dass es die Service Provider adressieren können und dem existierenden DNS quasi übergestülpt wird.

Großes öffentliches Gehör hat Wells mit seinem Vorschlag bisher nicht gefunden, zu abstrus scheinen seine Vorstellungen. Wells übersieht etwa, dass Domain-Namen nicht zwingend etwas mit Markenrecht und erst recht nicht mit Markenrechtsverletzungen zu tun haben müssen. Vor allem aber schafft er einen administrativen Aufwand, der eine unkomplizierte und damit kostengünstige Domain-Registrierung kaum mehr möglich macht – lediglich in den Rechtsabteilungen von Unternehmen und Anwaltskanzleien dürfte man sich freuen. Da die Markenlobby mit der INTA an der Spitze aber erheblichen Einfluss auf die TLD-Pläne von ICANN nimmt, muss man Wells zumindest beachten. Auch die Einführung einer zentralen Markendatenbank schien vor Jahren noch ausgeschlossen – heute ist sie mit dem Trademark Clearinghouse schon Realität.

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