Im Streit um die Vormacht im Internet lässt die International Telecommunication Union (ITU) nicht locker: anlässlich des 5. World Telecommunication Policy Forum in Genf gab die Organisation zwar an, das Internet nicht übernehmen zu wollen, wünscht sich jedoch eine stärkere Rolle im Rahmen des Multi-Stakeholder-Modells.
Vom 14. bis zum 16. Mai 2013 trafen sich mehr als 900 Teilnehmer aus über 130 Ländern in Genf, um die ITU-Vollversammlung 2014 in Südkorea vorzubereiten. Einmal mehr stand die Frage im Mittelpunkt, welche Rolle die nationalen Regierungen auf die Verwaltung des Internets nehmen. Für Generalsekretär Hamadoun Touré steht die ITU dabei an einem Wendepunkt, vom Übergang des Internets als Massenmarkt in industrialisierten Ländern hin zu einer steigenden Nachfrage und Verbreitung auch in Entwicklungsländern. Herausgekommen sind letztlich sechs »opinions«, bei denen es sich lediglich um unverbindliche Empfehlungen handelt; sie waren von diversen Arbeitsgruppen vorbereitet worden. Dazu zählen unter anderem die Forderung nach Förderung von Internet Exchange Points, der Aufbau von Kapazitäten für die Bereitstellung von IPv6 sowie die breite Unterstützung des IPv4-Nachfolgeprotokolls IPv6.
Meistdiskutierter Punkt war jedoch die Unterstützung des von ICANN propagierten Multi-Stakeholder-Modells der Internet Governance, das allen Interessengruppen eine Einflussmöglichkeit bieten soll. Touré betonte, dass die ITU das Internet »nicht übernehmen« wolle; um die friedlichen Absichten zu unterstreichen, setzte er sich sogar einen UN-Blauhelm auf. In der offiziellen Empfehlung heisst es denn auch, dass man die ITU-Mitgliedsstaaten und andere Interessengruppen einlade, gemeinsam nach Wegen einer breiteren Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Regierungen zu suchen, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten vom Nutzen des Internets profitieren. All dies sollte jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass Länder wie Russland, China oder der Iran unverändert an ihrer Forderung festhalten, die Rolle der Regierungen in der Verwaltung des Internets zu stärken. In einer Pressemitteilung bringt es eco eV, der Verband der deutschen Internetwirtschaft, auf den Punkt: oppressive Mitgliedsstaaten fordern eine stärkere Kontrolle der Internetinhalte, Netzanbieter streben ein Zwei-Klassen-Internet an, und die ITU selbst möchte mit der Regulationshoheit für das Internet ihre Existenz legitimieren.
Bei ICANN wird man diese Entwicklungen entspannt verfolgen. Solange sich die ITU-Mitglieder untereinander nicht einig sind, haben sie keine Zeit, die aktuelle Internet-Verwaltung von ihrem Thron zu stürzen. Fehler wie etwa beim Programm zur Einführung neuer globaler Top Level Domains muss ICANN jedoch unbedingt vermeiden; nicht nur in technischer, sondern auch in politischer Hinsicht bergen die nTLDs somit erhebliche Sprengkraft.