Zwei Monate sind seit der Ankündigung der US-Regierung vergangen, die Verantwortung für die IANA-Funktionen in die Hände der globalen Multistakeholder-Community legen zu wollen. Die ersten Vorschläge für den Weg zu einem neuen Modell der Netzverwaltung liegen vor – und stoßen prompt auf Kritik.
Am 14. März 2014 gab die innerhalb des US-Wirtschaftsministeriums zuständige National Telecommunications and Information Administration (NTIA) ihre Absicht bekannt, Schlüsselfunktionen des Domain Name Systems (DNS) auf die globale Multistakeholder-Community zu übertragen. Im Mittelpunkt dieser Übertragung stehen dabei die fünf IANA-Funktionen: die Instandhaltung der Protokoll-Parameter im Auftrag der Internet Engineering Task Force, die Verteilung der IP-Adressen in Abstimmung mit den Regional Internet Registries, das Management der Top Level Domains .arpa und .int, die administrative Verantwortung für das DNS und die Root Zone sowie die Koordinierung des Root Zone Managements. Am 8. April 2014 veröffentlichte die Internet-Verwaltung ICANN daraufhin einen Vorschlag, wie ein solcher Prozess offen, transparent und integrativ gestaltet werden könnte. Im Mittelpunkt steht dabei eine so genannte »steering group«, die aus 22 Mitgliedern besteht. Jeweils zwei davon stammen aus den ICANN-internen Gruppen GNSO, ccNSO, ASO, ALAC, RSSAC, SSAC und GAC, wiederum jeweils zwei aus den externen Organisationen IAB, ISOC, IETF und NRO. Diese »steering group« soll ihren Vorsitzenden wählen und hat dann ihre Aufgabe darin, den Übergangsprozess zu koordinieren und auf sein Betreiben zu achten. Am Ende steht idealerweise ein Vorschlag, welcher der NTIA zur Prüfung vorgelegt wird.
Doch nach einer ersten öffentlichen Anhörung zu dem Vorschlag wurde deutlich, dass er nicht überall auf Zustimmung stößt. So wird bemängelt, dass sowohl die Vertreter einer generischen Endung als auch einer Länder-Endung als gesonderte Gruppe angesehen werden müssen – immerhin ist wesentlicher Teil der IANA-Funktion, den Betrieb einer Domain-Endung an eine Registry zu übertragen. Ohnehin unterrepräsentiert fühlt sich die Generic Names Supporting Organization (GNSO). Sie bündelt unter anderem Vertreter der Registrare, Internet Service Provider, nicht-kommerzielle Organisationen und Inhaber geistigen Eigentums; sich dort auf eine einheitliche Meinung zu einigen, dürfte schwer genug sein. Die US-Handelskammer forderte zudem mindestens einen Sitz für Unternehmensvertreter. Mit dem Modell eines Multistakeholder-Prozesses kaum vereinbar ist für Kritiker ferner der Ansatz, dass ICANN die Interessengruppen von vorne herein auswählt und bündelt. Die Registry Stakeholder Group vermutet ebenso wie Google, dass es ICANN im Kern darum ginge, die eigene Machtstellung durch das Vorpreschen mit dem eigenen Vorschlag zu untermauern. Überhaupt ICANN: deren Rolle und Verantwortung bleibe außen vor, obwohl er nach Ansicht der ccNSO vernünftigerweise Hand in Hand gehen sollte.
Wie ICANN mit dieser ersten Welle der Kritik umgeht, ist derzeit noch offen. Wer Kritik äußert, sollte jedoch auch einen konstruktiven Gegenvorschlag einbringen. Ein erstes Treffen soll die »steering group« beim ICANN-Meeting in London veranstalten, das vom 22. bis 26. Juni 2014 stattfindet. Das Thema Netzverwaltung dürfte die Einführung neuer Top Level Domains dort endgültig verdrängen.