ICANN

Snowden befeuert »Internet Governance«

Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden haben die Diskussionen um die Netzverwaltung neu befeuert: nach Angaben von CEO Fadi Chehadé steht ICANN unter gewaltigem Druck, wenn es nicht bald gelingt, das Multistakeholder-Modell zu etablieren.

Nicht nur so manche Regierung hat sich in den vergangenen Wochen gefragt: wer verwaltet bei uns eigentlich das Internet? Die Antwort verteilt sich im Wesentlichen auf mehreren Schultern: ICANN, die Internet Engineering Task Force (IETF), das Internet Architecture Board (IAB), das World Wide Web Consortium (W3C), die Internet Society (ISOC) und die fünf Regional Internet Registries (RIPE NCC, ARIN, APNIC, LACNIC und AfriNIC). Während sich ICANN um das Domain Name System kümmert, haben IETF, IAB, W3C und ISOC technische Standards im Visier; die Verteilung von IP-Adressen ist wiederum Aufgabe der fünf RIRs. Angesichts der Machtfülle dieser Gruppe traf ihre Ankündigung nach einem Treffen in Montevideo (Uruguay), die Globalisierung der »Internet Governance« vorantreiben zu wollen, viele nationale Regierungen auf dem falschen Fuss. Vor allem die USA sahen sich im Zuge der Berichte um die National Security Agency der Ankündigung ausgesetzt, dass die Scheidung ICANNs von der US-Regierung bevorstünde.

Anlässlich der newdomains.org-Konferenz in München präzisierte ICANN-CEO Fadi Chehadé, der als treibende Kraft hinter der Ankündigung gilt, seine Absichten. ICANN werde in den kommenden 12 bis 24 Monaten unter gewaltigen Druck geraten, wenn man es als Mitglied des Internet-Ökosystems nicht gemeinsam mit anderen Organisationen schaffe, das Gerüst für ein Multistakeholder-Modell zur Internetverwaltung zu etablieren. Sowohl die Snowden-Enthüllungen als auch eine Rede der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff hätten das Thema »Internet Governance« bei vielen Regierungen an die Spitze der Tagesordnung katapultiert. Vor allem Brasilien, Indien und Südkorea möchten allerdings sämtliche Themen der Netzverwaltung an die Vereinten Nationen delegieren; sie bevorzugen somit ein multilaterales Gebilde, so dass die Internet-Verwaltung in den Händen der Politik liegt. Das will Chehadé unbedingt verhindern und kritisiert den multilateralen Ansatz als ineffektiv; würden weitere Interessengruppen beteiligt, komme eine bessere Lösung heraus. In einem persönlichen Gespräch mit Rousseff konnte er offenbar überzeugen: Brasilien hat inzwischen bestätigt, die Multistakeholder-Lösung zu bevorzugen; auch Südkorea hat nach Angaben von Chehadé nachgezogen. Globale Unternehmen wie Microsoft, Cisco Systems und Disney hätten ebenfalls die Unterstützung signalisiert. Eine Erweiterung der ICANN-Kompetenzen lehnte Chehadé aber ausdrücklich ab. ICANN müsse sich jetzt, wo das nTLD-Programm geboren sei, auf dessen Umsetzung konzentrieren.

Der Sicherheitsspezialist Phillip Hallam-Baker wies indes darauf hin, dass Chehadé kein zukunftsfähiges Gegenmodell der Internet-Verwaltung entwickelt habe. Das Modell ICANN lebe davon, dass sämtliche Alternativen genau so wenig zukunftsfähig wären. Egal, ob IPv6 oder DNSSEC, Internet Governance sei ein schwieriges Thema. Das ficht Chehadé nicht an; in München kündigte er für Mai 2014 ein Treffen in Brasilien an, bei dem Regularien für ein Multistakeholder-Modell der gesamten Internetverwaltung ausgearbeitet werden soll.

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