ICANN

Einblick in die Diskussionen um ICANNs Multi-Stakeholder-Modell

Wohin entwickelt sich das Multi-Stakeholder-Modell der Netzverwaltung? ICANN hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Effektivität zu verbessern – doch bis zu konkreten Schritten ist es noch weit.

Zu den sperrigsten Fragen der Netzverwaltung gehört die Internet Governance. Ungeachtet der Frage, dass unter Experten kontrovers diskutiert wird, was unter diesem Begriff zu verstehen ist, ist es das Ziel zahlreicher Interessengruppen, möglichst viel Einfluss zu gewinnen. Praktisch umgesetzt wird dies durch das Multi-Stakeholder-Modell von ICANN, das sicherstellen soll, dass ein Ausgleich von Freiheit und Sicherheit in der digitalen Welt gewährleisten wird. Doch auch was schon gut ist, kann besser werden. Beim ICANN-Meeting im Oktober 2018 bat deshalb das ICANN Board of Directors die Community um Verbesserungsvorschläge, um insbesondere die Effektivität des Multi-Stakeholder-Modells zu steigern. Die eingegangenen Vorschläge wurden sodann beim März-Meeting im japanischen Kobe aufgegriffen. Dabei zeigte sich, wie komplex das Thema ist; diskutiert wurde zum Beispiel über das Timing von Entscheidungsprozessen, Haftungsfragen, Rechenschaft, Transparenz, Kosten, unterschiedliche Rollenverständnisse und Verantwortlichkeiten, Kulturen sowie Inklusion.

In einem Blogpost hat nun Brian Cute, CEO der .org-Verwalterin PIR und Chairman des »Accountability and Transparency Review«-Teams von ICANN, den aktuellen Stand festgezurrt. Demnach will ICANN eine Liste von Themen erarbeiten, welche die Effektivität des Multi-Stakeholder-Modells herausfordern; in einem zweiten Schritt folgt dann ein Arbeitsplan, der als Teil des »Operational Plan« im Dezember 2019 umgesetzt werden soll. Cute beschreibt dabei die Energie in der Sitzung als »mit den Händen greifbar«. Es kamen Langzeitmitglieder und jüngere Mitglieder der ICANN-Gemeinschaft zu Wort. Sie diskutierten zahlreiche Themen, ausgehend von den Ursprungsbedingungen von ICANN, über die Tatsache, dass es keine Anreize gibt, Bedingungen für Kompromisse zu schaffen, bis hin zur Bedeutung einer informierten Regelungsgestaltung und der Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung der NextGen-Mitglieder an der Arbeit der ICANN-Gemeinschaft. Zusammenfassend sprach Cute von »pain points« innerhalb des Systems: Entscheidungsprozesse dauern zu lange, es mangelt an Ressourcen, es gibt zu viele Arbeitsstränge und die vielen freiwillig Tätigen fühlen sich ausgebrannt. Diese Probleme habe man nun erkannt, und arbeite daran. Für Begeisterungsstürme sorgt das Thema aber nach wie vor nicht; in einem eigens eingerichteten Kommentarbereich gibt es bisher keine einzige Stellungnahme.

Dass das Multi-Stakeholder-Modell nicht für selbstverständlich genommen werden soll, macht CENTR deutlich. Nach Angaben des Council of European National Top Level Domain Registries werden technische Diskussionen mittlerweile verstärkt von öffentlichen Interessen überlagert, etwa im Hinblick auf die Gewährleistung von Menschenrechten und den Bedürfnissen der Strafverfolgung. Der Multi-Stakeholder-Ansatz mache jedoch nur Sinn, wenn alle Interessengruppen gleichberechtigt sind. Dazu gehören auch die Interessen der Technik-Community. Der US-Jurist Lawrence Lessig propagierte im Jahr 2000 »Code Is Law«; dass Programmiercode unsere Werte dominiert, dürfte heutzutage hingegen kaum mehr gelten.

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