ICANN

kein Beweis für Front Running gefunden

Für die Praktik des Domain Name Front Running lassen sich derzeit keine Beweise finden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Harvard-Professor Ben Edelman im Auftrag der Internetverwaltung ICANN. Kritik an diesem Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten.

Das Phänomen ist altbekannt, die Masche neu: beim so genannten „Front Running“ handelt es sich um eine Art Insider-Handel im Domain-Business, der ähnlich wie Domain-Tasting funktioniert. Beim Domain-Tasting werden Domain-Namen für wenige Tage registriert und mit Parkingseiten verlinkt. Erweisen sie sich als profitabel, behält der Inhaber die Domains; sind sie dagegen unattraktiv, stößt er sie ab, bevor Gebühren für die Domain-Registrierung fällig werden. Beim Front Running sucht jedoch nicht ein Domainer oder der Registrar die Testdomains aus, sondern unbewusst der Kunde: so hat sich beispielsweise der Registrar Network Solutions (NSI), einer der fünf weltweit größten Domain-Registrare, jene Domains gesichert, nach denen die Kunden über die registrareigene Domain-Suche gesucht, sie jedoch nicht sofort registriert haben. Damit konnte der Kunde die Domain zumindest vorübergehend nur über NSI registrieren, jeder andere Registrar listete die Domain als vergeben; zu den Parking-Einnahmen kamen somit noch die Registrierungsgebühren, wenn der Kunde die Domain unbedingt haben wollte und sie über NSI registrieren musste. Allerdings hat NSI dafür Lehrgeld zahlen müssen: bis zu US$ 1 Mio. kostete NSI die gütliche Beilegung einer Sammelklage vor einem US-Gericht.

Um herauszufinden, wie aktuell diese Praktik ist, hat ICANN den Sicherheitsexperten Ben Edelman um eine Untersuchung gebeten. Über einen Zeitraum von 10 Monaten und in insgesamt drei Runden untersuchte er 604 zuvor unregistrierte Domains, darunter 304 mit der Endung .com, 200 mit der Endung .net und 100 unter .info, auf aktuelles Front Running. Die Test-Domains bestanden aus englischsprachigen Begriffen oder Kombinationen hieraus, mit plausibler Bedeutung für einen potentiellen Interessenten; um welche Domains es sich handelt, teilt Edelman nicht mit. Diese testete er über entsprechende Suchseiten, um für die kommenden sieben Tage zweimal täglich zu prüfen, ob die Domain unverändert frei war. Ergebnis der Studie: Beweise für Front Running waren nicht zu finden, keine einzige der getesteten Domains wurde binnen sieben Tagen registriert. Lediglich eine Domain aus der zweiten Testrunde war in der dritten vergeben, jedoch ohne jedes Anzeichen für Front Running.

Edelman räumt ein, dass seine Studie nicht beweist, dass Front Running nicht existiert; er hat in den von ihm angestellten Tests lediglich keinen Beweis dafür gefunden. Chad Kettner von domainnamenews.com kritisiert, dass Edelman in seiner Studie jeden öffentlichen Hinweis vermissen lässt, nach welchen konkreten Domains er gesucht und welcher Registrare oder WHOIS-Suchdienste er sich für den Test bedient hat. So verliert die Studie erheblich an Aussagekraft. Ob und wie ICANN die Studie zum Anlass nimmt, um Änderungen an der Domain-Vergabe zu implementieren, ist derzeit noch offen.

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