Die Internet-Verwaltung ICANN plant eine kleine Revolution: auf Empfehlung der Generic Names Supporting Organization (GNSO) soll der 60-tägige Transfer-Lock abgeschafft werden. Die Möglichkeit der Weiterübertragung von Domain-Namen mit generischer Domain-Endung würde so erheblich beschleunigt.
Wer schon einmal eine .com-Domain registriert hat und sie unmittelbar danach zu einem anderen Domain-Registrar umziehen wollte, hat bestimmt bereits Bekanntschaft mit dem »60-day Change of Registrant lock« gemacht. Geregelt ist er in der »Transfer Policy« von ICANN. Seit dem 01. Dezember 2016 muss jeder Domain-Registrar eine Transfersperre verhängen, die eine Weiterübertragung einer Domain zu einem anderen Domain-Registrar verhindert, wenn binnen der letzten 60 Tage die Domain-Inhaberdaten geändert wurden. In der Praxis taucht dieses Problem häufig nach einem Domain-Kauf auf, wenn der Käufer die Domain nach der erfolgreichen Übertragung zu seinem Stamm-Registrar umziehen möchte. Die Transfersperre dient vor allem dazu, Missbrauch rund um eine Domain zu vermeiden und zum Beispiel eine gestohlene Domain binnen kürzester Zeit von einem Registrar zu einem anderen zu verschieben, ohne dass dem wahren Inhaber die Rückübertragung gelingt. Allerdings lässt die Transfer Policy selbst die Möglichkeiten offen, dass die Domain-Registrare die 60-tägige auf Wunsch der Domain-Inhaber verkürzen. Weil diese Regelung aber nicht einheitlich angewandt wird, sorgt sie immer wieder für Ärger.
Das will die GNSO künftig verhindern und hat daher in ihrem »Final Report on the Transfer Policy Review Policy Development Process« vom 04. Februar 2025 nach langer und intensiver Diskussion vorgeschlagen, die Regelung ersatzlos zu streichen. Man sei zu dem Ergebnis gekommen
that the 60-day lock following a Change of Registrant appears to be a greater source of registrant frustration than proven registrant security.
Außerdem seien die Berichte über Domain-Hijacking bei weitem nicht so viele wie erwartet. Von 205 Beschwerden, die im Zeitraum September 2020 bis Oktober 2023 mit dem Hinweis »Unauthorized Changes of Registrant« eingegangen seien, hätten sich 169 als »invalid« herausgestellt. Bei weiteren 780 Beschwerden, bei denen der Vorwurf »Unauthorized Inter-Registrar Transfers« im Raum stand, waren 679 »invalid«. Die GNSO erachtet daher die Anzahl der Beschwerden für relativ gering, insbesondere wenn man sie ins Verhältnis zur Anzahl der Domain-Namen, der tagtäglich stattfindenden Änderungen der Domain-Inhaberdaten und der Übertragung von Domain-Namen von einem Registrar zu einem anderen setzt. Das Ergebnis sei daher eindeutig:
Based on available data, it is not clear that the 60-day lock demonstrably reduces instances of domain hijacking.
Vor allem aber verhindert die Transfersperre nicht, dass der Kundenaccount des Domain-Inhabers geknackt und von dort der Transfer eingeleitet wird; hier seien andere Methoden wie »multifactor authentification« nützlicher.
Die Empfehlungen der GNSO werden nun dem Board of Directors von ICANN zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt. Wann dort eine Entscheidung fällt, ist offen. Selbst wenn man den Empfehlungen folgt, dürfte ICANN mit einer Übergangszeit von mindestens einem Jahr planen, bis die vorgeschlagenen Änderungen in Kraft treten.