ICANN kämpft gegen Fake News: ein Artikel des Russian International Affairs Council (RIAC) veranlasste die Internet-Verwaltung zu einer mehrfachen öffentlichen Klarstellung. Einmal mehr wird das Domain Name System damit zum Gegenstand der politischen Debatte um die Internet-Governance.
Bei dem im Jahr 2011 gegründeten RIAC handelt es sich um eine gemeinnützige Denkfabrik, die sich als eines der Instrumente der öffentlichen Diplomatie in Russland versteht und als regierungsnah gilt. Am 12. November 2024 veröffentlichte das RIAC auf seiner Website einen Artikel mit dem Titel »What’s Wrong with the Global Digital Compact?«, der sich mit dem »Summit of the Future« der Vereinten Nationen beschäftigt, der im September 2024 in New York stattfand und auf dem mit dem Global Digital Compact (GDC) das Thema Internet-Governance ganz oben auf der Agenda stand. Das RIAC kritisiert den GDC darin als »voreingenommen und unausgewogen«, der die Rolle nichtstaatlicher Akteure bei der Internet-Governance überschätze. Er betone insbesondere die Bedeutung einer westlichen Interpretation der Menschenrechte und berücksichtige nicht das Prinzip der staatlichen Souveränität. Der Schwerpunkt des Artikels liegt dabei auf ICANN und seiner Tochtergesellschaft Public Technical Identifiers (PTI), enthält nach Ansicht der Netzverwaltung jedoch gleich mehrere Ungenauigkeiten. Soweit ersichtlich, sieht sich ICANN erstmals veranlasst, zu einem solchen Bericht öffentlich Stellung zu nehmen, um Missverständnisse auszuräumen und die eigene Rolle zu klären. Zugleich widerlegt ICANN mehrere populäre Irrtümer.
So behauptet das RIAC, dass die technische Verwaltung der Internet-Infrastruktur von der in den USA registrierten PTI durchgeführt werde. Das ist aber falsch. Die Infrastruktur des Internets besteht aus zahlreichen Systemen, die von Regierungen, privaten Unternehmen und anderen Stellen verwaltet werden. Die Rolle von ICANN ist demgegenüber beschränkt: Sie koordiniert lediglich technische Funktionen wie die Zuweisung von Domain-Namen und IP-Adressen über die PTI, kontrolliert oder verwaltet jedoch nicht die gesamte Internet-Infrastruktur. Weiter behauptet das RIAC, Washington – und damit die US-Regierung – habe die Möglichkeit, wichtige politische und wirtschaftliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Internet-Verwaltung zu beeinflussen. Dies ist jedenfalls missverständlich. ICANN arbeitet nach einem globalen Multistakeholder-Modell, das sicherstellt, dass kein einzelner Stakeholder oder keine einzelne Regierung dominieren kann. Regierungen beteiligen sich über das Governmental Advisory Committee (GAC) an der Arbeit von ICANN. Zudem verlangt das RIAC eine »Internationalisierung der Internet-Governance« und suggeriert damit, dass das derzeitige System übermäßig von westlichen Ländern beeinflusst werde; richtigerweise wird die Internet-Governance aber langem durch kollaborative globale Prozesse geprägt, an denen zwischenstaatliche und internationale Organisationen sowie viele andere Interessenvertreter beteiligt sind. In mehreren hochrangigen UN-Abkommen wie der Tunis-Agenda des WSIS und insbesondere auch im GDC wurde anerkannt, dass die Internet-Governance auch weiterhin global sein muss.
Nach Einschätzung von ICANN können derartige falsche Darstellungen zu Verwirrung führen und eine effektive Zusammenarbeit behindern. Die Netzverwaltung fordert ausdrücklich dazu auf, ICANN-Updates zu verfolgen und an öffentlichen Diskussionen teilzunehmen. Auch hier gilt: die Verbreitung von Desinformation ist für Gesellschaften und Demokratien weltweit gefährlich; sie muss aufgedeckt und analysiert werden. Seine rein technische Funktion hat das Domain Name System jedenfalls längst verlassen.