Die Internet-Verwaltung ICANN hat Berichten widersprochen, wonach mit dem Council of African Internet Governance Authorities (CAIGA) ein Nachfolger für das kriselnde African Network Information Centre (AfriNIC) etabliert werden soll. Doch AfriNIC wackelt mehr als je zuvor.
Millionenschwere Klagen, Kontenpfändungen, ein Insolvenzverfahren, Unregelmäßigkeiten bei der Vorstandswahl, ein von der Regierung eingesetzter Sonderermittler und zuletzt ein Antrag auf Liquidierung – keine andere Regional Internet Registry (RIR) hat für eine vergleichbare Welle an Skandalen gesorgt wie AfriNIC. Während das für RIRs zuständige Council der Number Resource Organization (NRO) noch daran arbeitet, durch vertragliche Vereinbarungen ein ähnliches Fiasko künftig zu vermeiden, versucht ein neues Projekt namens Smart Africa Fakten zu schaffen. Hinter Smart Africa steht ein Zusammenschluss von um die 40 afrikanischen Regierungen, die sich für eine beschleunigte Einführung digitaler Technologien auf dem Kontinent einsetzt und zu diesem Zweck mit dem CAIGA ein neues Modell der Internet-Governance in Afrika entwickelt hat. Im November 2024 unterzeichneten ICANN und Smart Africa eine Absichtserklärung, um ein stabiles, sicheres und zugängliches Internet in Afrika zu fördern. Zur Umsetzung dieser Absichtserklärung schlossen ICANN und Smart Africa zudem eine Projektvereinbarung, wonach Smart Africa ein Referenzdokument, den »IG Blueprint«, entwickeln sollte. Dieser legt eine langfristige Vision und einen Fahrplan für die Internet-Governance in Afrika fest. ICANN selbst hat das Vorhaben mit US$ 40.000,– finanziell unterstützt und damit in der afrikanischen Internet-Community Besorgnis ausgelöst. Die Kenianerin Alice Munyua, die leitende Positionen bei der Internet Society und ICANN innehatte, deutete an, dass CAIGA eine neue Ebene staatlicher und regulatorischer Autorität darstelle, die über dem gewählten Vorstand von AfriNIC angesiedelt sei. Auch Milton Mueller vom Georgia Institute of Technology kritisierte CAIGA:
The ‚Council‘ would be an as-yet unformed, totally untested group selected by a board dominated by African heads of state, with unclear powers over registry operations.
So viel öffentliche Kritik wollte ICANN-CEO Kurtis Lindqvist nicht unkommentiert stehen lassen. In einem Blog-Artikel verteidigte er ICANNs Engagement für die afrikanische Internet-Community. Sowohl die Absichtserklärung als auch die Projektvereinbarung mit Smart Africa würden sich auf allgemeinere Fragen der Internet-Governance und nicht auf die Rolle der RIRs konzentrieren. Der »IG Blueprint« ziele daher auch nicht auf eine Regulierung oder Modifizierung von AfriNIC oder die zur Entwicklung einer alternativen RIR-Struktur für diese Region ab. ICANN unterstütze die Bemühungen von Smart Africa lediglich administrativ bei der Organisation regionaler Dialoge zur Entwicklung eines Internet-Governance-Ansatzes auf kontinentaler Ebene. Alle Änderungen oder Vorschläge zur Internet-Governance durch AfriNIC müssten von den AfriNIC-Mitgliedern und der afrikanischen Internet-Community diskutiert und beschlossen werden. ICANN erwarte außerdem, dass die Beiträge der Internet-Community – also nicht nur der afrikanischen Regierungen – angemessen und mit ausreichend Zeit berücksichtigt werden, bevor ein Modell finalisiert werde. Lindqvist:
From ICANN’s perspective, there is no foregone conclusion as to how we will participate or what the Internet governance model should look like, so long as that model is supported by stakeholders and, in the case of AFRINIC, is consistent with the criteria of ICP-2 and is supported by the community.
Dass ICANN mit der Rolle des AfriNIC unzufrieden ist und nach Alternativen sucht, lässt sich dabei kaum leugnen. Lindqvist erklärte in einem Brief vom 24.11.2025 an Rafik Dammak, Chair der ICANN Non-Commercial Stakeholder Group:
If the RIR communities wish to have the ability for an RIR to be governed in the way that CAIGA proposes for AFRINIC, to allow direct governmental involvement in RIR governance […] now is the time for those proposals to be raised and evaluated in the ICP-2 conversation.
Damit öffnet er die Tür, die Frage der Internet-Verwaltung in Afrika neu zu gestalten – klingt so, als neige sich die Zeit des AfriNIC dem Ende.