ccTLDs

Warezio sieht ICANN in der Verantwortung für die missbräuchliche Nutzung von Togos Endung .to

Haftet ICANN für Rechtsverletzungen, die von der Registry einer ccTLD ausgehen? Das behauptet jedenfalls das tschechische Anti-Piraterie-Unternehmen Warezio und droht der Internet-Verwaltung deshalb mit einer Klage.

Coordinates the allocation and assignment of names in the root zone of the Domain Name System (DNS) and coordinates the development and implementation of policies concerning the registration of second-level domain names in generic top-level domains (gTLDs)

– so steht es in den Bylaws von ICANN und weist der Netzverwaltung damit die Zuständigkeit für generische Top Level Domains wie .com, .net oder .info zu. Die Aufsicht über die country code Top Level Domains (ccTLDs) wie .de, .at oder .ch liegt hingegen bei den jeweiligen Ländern. Doch die in Prag ansässige Warezio s.r.o., die gegen die unbefugte Verbreitung von Inhalten über das Internet kämpft, stellt dieses Grundprinzip nun in Frage. In einem Schreiben vom 13. Oktober 2025 fordert das Unternehmen dazu auf, im Kampf gegen Online-Piraterie endlich zu handeln. Konkret im Visier hat man die .to-Registry Tonic. Das Länderkürzel des im Südpazifik gelegenen polynesischen Königreich untersteht formell dem Government of the Kingdom of Tonga, wird aber von dem Software-Unternehmer Eric Gullichsen verwaltet, der seinen Sitz in Burlingame (US-Bundesstaat Kalifornien) hat. Nach inoffiziellen Angaben sind zwar lediglich ca. 60.000 .to-Domains registriert, unter den Betreibern von urheberrechsverletzenden Webseiten gilt .to aber nach Angaben der Motion Picture Association (MPA) als besonders beliebt. Auch die Untersuchungen von Warezio haben ergeben, dass eine beträchtliche Anzahl aktiver Piraterie-Websites unter .to-Domains betrieben wird. Der vom Büro des Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten (USTR) veröffentlichte Bericht »2024 Review of Notorious Markets for Counterfeiting and Piracy« unterstreiche die Problematik; er enthält sieben Verweise auf .to-Domains, weit mehr als bei jeder anderen ccTLD.

Besonders problematisch für Warezio ist, dass Tonic einen Missbrauch des Domain Name Systems systematisch fördere. So gibt es für .to keinen funktionsfähigen, öffentlich zugänglichen WHOIS- oder RDAP-Dienst, der die Kontaktinformationen der Domain-Inhaber enthält; damit würden die Domain-Inhaber vor jeder Form legitimer Anfragen durch Rechteinhaber, Strafverfolgungsbehörden oder Regulierungsbehörden geschützt. Selbst bei legitimen Anfragen verfüge TONIC über keinen Mechanismus zur Offenlegung von WHOIS-Daten. Ds Weiteren veröffentliche TONIC keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen und schaffe so ein unreguliertes Umfeld ohne branchenübliche Sicherheitsvorkehrungen und Compliance-Mechanismen; dadurch würden die Rechte und Pflichten der Domain-Inhaber nicht ausreichend definiert. Nichts anderes gelte für die Vertragsbeziehung zu den Registraren, auch hier fehle es an klaren Regelungen. TONIC biete auch keine Mechanismen zur Identifizierung des für eine bestimmte Domain zuständigen Registrars; dies führe zu einer Durchsetzungslücke für Rechteinhaber, da sie weder den jeweiligen Registrar identifizieren noch den geltenden Rechtsrahmen für dessen Tätigkeit ermitteln könnten. Ergänzend habe TONIC mitgeteilt, derzeit keine weiteren Registrare zu akkreditieren, so dass das Unternehmen effektiv als geschlossenes Oligopol agiere. Ein außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren fehle ohnehin. Insgesamt stelle TONIC eine Bedrohung für die Rechte des geistigen Eigentums dar.

Insoweit stehe auch ICANN in de Verantwortung. Warezio beruft sich dabei auf europäisches und tschechisches Wettbewerbsrecht; konkret erwähnt werden die Grundsätze der Rom-II-Verordnung der EU (Verordnung (EG) Nr. 864/2007) und Artikel 2976 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Durch die wissentliche Duldung einer Registry, die unrechtmäßige kommerzielle Aktivitäten ermögliche und legitime Durchsetzungsmaßnahmen behindere, laufe ICANN Gefahr, als »assisting person« angesehen zu werden und zu haften. Man gebe ICANN sieben Tage Zeit, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und einen Zeitplan für deren Umsetzung vorzulegen; andernfalls behalte man sich alle rechtlichen Schritte vor. ICANN hat öffentlich auf das Schreiben bisher nicht reagiert, jedoch in der Vergangenheit wiederholt betont, dass man für ccTLDs nicht zuständig ist:

ICANN does not have contract authority to take compliance action against ccTLD operators.

Gut möglich, dass Warezio diese Auffassung nun gerichtlich prüfen lässt.

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