Nach jahrelanger Prüfung hat sich ICANN auf ein Modell für die Verteilung von Auktionserlösen aus der Versteigerung von nTLDs verständigt. Der Kreis der potentiell Begünstigten ist weit gezogen, bis die ersten Gelder fließen, wird es aber noch eine ganze Weile dauern.
US$ 240.590.128,00 – diesen Betrag hat ICANN aus der Versteigerung von bisher 17 neuen generischen Top Level Domains erlöst. Für sie gab es jeweils mehr als einen Bewerber, ohne dass sich eine gütliche Einigung erzielen ließ. Allein US$ 135.000.000,– stammen aus der Versteigerung von .web, die sich der Neuling NU DOT CO LLC mit Hilfe von VeriSign Inc. sicherte. Allerdings steht dieser Betrag unter Vorbehalt, da ein Rechtsstreit anhängig ist; sollte NU DOT CO der Registry-Vertrag wieder entzogen werden, müsste ICANN diesen Betrag erstatten. Zweitteuerste Endung ist aktuell .shop; sie war der GMO Registry Inc. einen Betrag von US$ 41.501.000,– wert. Günstigste neue Domain-Endung ist .srl; der Regensburger mySRL GmbH genügten US$ 400.000,–, um den Zuschlag für den Registry-Vertrag zu erhalten. Nach Abzug der Kosten von US$ 7.134.565,– verbleiben ICANN damit noch US$ 233.455.563,–. Das auf einem gesonderten Konto verwahrte Geld weckt schon seit Beginn des nTLD-Programms Begehrlichkeiten, weil umstritten ist, was mit den Einnahmen passieren soll. ICANN hat daher bereits im Januar 2017 die Cross-Community Working Group on new gTLD Auction Proceeds (CCWG) ins Leben gerufen, um Vorschläge auszuformulieren, wie mit dem Geld umgegangen werden soll. Nach intensiver Arbeit hatte die CCWG im Oktober 2018 ihren vorläufigen Abschlussbericht veröffentlicht und zur Prüfung an die beteiligten Interessengruppen weitergeleitet; eine Entscheidung blieb aber bisher aus.
Anlässlich des ICANN-Meetings in Den Haag sind die Würfel aber nun gefallen. Am 12. Juni 2022 beschloss das ICANN Board of Directors, den Empfehlungen der CCWG zu folgen. Sie sehen die Schaffung eines neuen Independent Project Applications Evaluation Panels vor, das eine Aufsichtsfunktion innehaben soll. Dessen Mitglieder müssen sich vor allem durch eine »grant-making expertise« auszeichnen, also Kenntnisse im Beihilferecht; auch Diversität soll berücksichtigt werden, nicht jedoch die Repräsentation einer bestimmten Interessengruppe. Die konkrete Vergabe von Geldern soll sich zudem nach folgenden drei Kategorien richten:
- Benefit the development, distribution, evolution and structures/projects that support the Internet’s unique identifier systems
- Benefit capacity building and underserved populations, or;
- Benefit the open and interoperable Internet
Sie alle sind dem Ziel »consistent with ICANN’s mission« untergeordnet. Das hat wirtschaftliche Hintergründe, da andernfalls ICANN seine Steuerprivilegien verlieren könnte. Konkrete Vorgaben auf Grundlage dieser Kategorien soll die CCWG noch ausarbeiten. Und obwohl dies den Eindruck erweckt, als sollten die Auktionserlöse vollständig der Internet-Community zu Gute kommen, schließen sie einen möglichen Empfänger nicht aus – ICANN selbst. Auf einen Ausschluss konnte man sich nicht verständigen, und das ICANN-Board betont, dass »conflict of interest considerations and clear separation of roles and responsibilities« selbstverständlich beachtet würden. Übliche Rechtsmittel wie ein »Request for Reconsideration« gegen ablehnende Finanzierungsentscheidungen des Independent Project Applications Evaluation Panel soll es nicht geben. Ganz leer gehen abgelehnte Bewerber aber nicht aus:
Applicants not selected should receive further details about where information can be found about the next round of applications as well as any educational materials that may be available to assist applicants,
heißt es ganz unironisch.
Da bis zur praktischen Umsetzung der Empfehlungen weitere Zeit vergeht, wird es noch eine ganze Weile dauern, bis die ersten Gelder fließen. Es ist also aktuell noch nicht möglich, erste Anträge einzureichen.