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Vertrag über .org-Verkauf noch nicht in trockenen Tüchern – Druck auf ICANN erhöht sich

Die Entscheidung über das Schicksal von .org verzögert sich erneut: statt bis 20. April 2020 muss ICANN sich nun erst bis 04. Mai 2020 entscheiden, ob man dem Verkauf der .org-Verwalterin Public Interest Registry (PIR) an den Finanzinvestor Ethos Capital zustimmt.

Wenige Tage vor Ablauf der bereits verlängerten Deadline einigten sich John Jeffrey, General Counsel von ICANN, und Jon Nevett, CEO von PIR, die in Sektion 7.5 (d) des Registry Agreements vereinbarte Stellungnahmefrist bei einem »Change of Control« bis 04. Mai 2020 zu verlängern. Der Grund dafür liegt weniger in der aktuellen Corona-Krise, sondern in einem Schreiben vom 15. April 2020, in dem sich der kalifornische Attorney General Xavier Becerra, also der oberste Rechtsberater der Regierung, zu Wort gemeldet und sich klar gegen einen Verkauf positioniert hat. Becerra, dessen Büro gemäß Gov. Code, § 12598, die Aufsicht über »charitable trusts« obliegt, kritisierte vor allem die fehlende Transparenz der Transaktion. So sei wenig über Ethos Capital und die diversen Tochtergesellschaften wie die PIR LLC bekannt, die für .org von einer gemeinnützigen in eine gewinnorientierte Gesellschaft umgewandelt werden soll. Noch weniger sei bekannt, wie diese Rechtspersönlichkeiten wie Geschäft betreiben wollen. Ohne diese Informationen sei aber unklar, ob und wie die .org-Community mit über 1.200 Registraren, Millionen von Domain-Inhabern und hunderten von Millionen an Nutzern, die eine .org-Domain verwenden oder darauf vertrauen, von diesem Wechsel betroffen sei.

Konkret bemängelte Becerra außerdem, dass es PIR und Ethos Capital versäumt hätten, die von ICANN gestellten Fragen zum finanziellen Hintergrund nach dem Verkauf zu antworten. PIR gebe an, dass man ausreichend Mittel einnehme, um ein Finanzierungsdarlehen über US$ 300 Millionen zu bedienen und den laufenden Betrieb zu stemmen, obwohl man künftig steuerpflichtig sei und das Darlehen in fünf Jahren zurückgezahlt werden müsse. Es sei daher verstörend, dass Ethos nicht offenlege, wie es diese Mittel einnehmen wolle. Das unsichere wirtschaftliche Klima mache Prognosen noch spekulativer. Jeder Fehler, den Ethos Capital – ein neu gegründetes Unternehmen ohne Geschäftserfahrung – mache, drohe zu Lasten der .org-Community zu gehen. Dazu gehören einige für die gesamte Welt wichtige Organisationen, wie zum Beispiel die World Health Organization, die Weltbank, das Rote Kreuz, Ärzte ohne Grenzen und die Vereinten Nationen. Becerra schließt sein Schreiben mit einer eindeutigen Empfehlung:

Given the concerns statedabove, and based on the information provided,the.ORG registry and the global Internet community – of which innumerable Californians are a part – are better served if ICANN withholds approval of the proposed sale and transfer of PIR and the .ORG registry to the private equity firm Ethos Capital.

ICANN droht damit immer mehr in ein Dilemma zu geraten. Entweder, man stimmt der Transaktion zu und riskiert damit eine Welle staatlicher Interventionen; oder man verweigert die Zusage mit der Folge, dass Ethos Capital versucht, den US$ 1,135 Milliarden schweren Deal vor Gericht durchzusetzen. Ob der zusätzliche Zeitraum bis 04. Mai 2020 genügt, um eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird, ist derzeit bestenfalls offen.

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