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Der Streit um den Verkauf von .org weitet sich aus

Im Dauerstreit um den Verkauf der .org-Verwalterin Public Interest Registry (PIR) an den Finanzinvestor Ethos Capital steigt der öffentliche Druck auf ICANN: mit Hilfe eines nichtöffentlichen Fragenkatalogs will die Internet-Verwaltung nun abklären, ob die sonst übliche Zustimmung erteilt oder ausnahmsweise versagt wird.

Die Neue Zürcher Zeitung formuliert es düster: »Die Kommerzialisierung der .org-Adresszone gefährdet den Zusammenhalt des Internets«. Bei Heise heisst es drastisch: ».org-Verkauf: die Zivilgesellschaft tobt«. Seit die gemeinnützige Internet Society (ISOC) am 13. November 2019 bekanntgab, sich mit Ethos Capital auf eine Übernahme der Geschäftsanteile von PIR geeinigt und damit die Rechte an .org erworben zu haben, schwappt eine Welle der Empörung durch das Netz. Sie scheint nun auch ICANN erfasst zu haben. Obwohl man noch vor kurzem gegenüber der Finacial Times betonte, keine Einflussmöglichkeit zu haben, veröffentlichte ICANN-CEO Göran Marby am 09. Dezember 2019 einen längeren Blog-Eintrag, in dem er Position bezog und Maßnahmen ankündigte. So sei man am 14. November 2019 über die Transaktion informiert worden; Bitten ICANNs, diese Nachricht zu veröffentlichen, habe PIR jedoch abgelehnt. Zudem bedürfe ein solcher »change of control« bei PIR der Zustimmung ICANNs; man haben von dem Recht Gebrauch gemacht, binnen 30 Tagen zusätzliche Informationen dazu anzufordern, wer die Kontrolle bei .org übernimmt, wer genau rechtlich und wirtschaftlich letztlich berechtigt ist und ob die einschlägigen ICANN-Kriterien betreffend zum Beispiel die finanziellen und technischen Fähigkeiten eingehalten sind. Zugleich rief Marby PIR, ISOC und Ethos Capital dazu auf, den Inhaberwechsel transparent durchzuführen.

Maßstab für eine Entscheidung ICANNs, die Zustimmung zu erteilen oder zu versagen, ist ein im Registry-Vertrag vereinbarter »standard of reasonableness«. Was konkret darunter zu verstehen ist, ist juristisch nicht abschließend geklärt, denn bisher gibt es keinen Fall, in dem ICANN die Zustimmung versagt hat. Aber offenbar möchte es ICANN nicht bei einer oberflächlichen Prüfung belassen:

We have asked PIR to provide information related to the continuity of the operations of the .ORG registry, the nature of the proposed transaction, how the proposed new ownership structure would continue to adhere to the terms of our current agreement with PIR, and how they intend to act consistently with their promises to serve the .ORG community with more than 10 million domain name registrations.

Den gesamten Fragenkatalog hat ICANN bisher nicht öffentlich gemacht. Mögliche zentrale Kriterien für die künftige Ausrichtung von .org hat derweil die Non-Commercial Stakeholders Group (NCSG) ausgemacht. Sie fordert unter anderem die Möglichkeit, .org-Domains für bis zu 20 Jahre im Voraus registrieren zu können, um weniger anfällig für Gebührenerhöhungen zu sein, eine Streichung der Anwendung des URS-Verfahrens auf .org und ein Verbot jeglicher Einflussnahme auf Inhalte, die unter einer .org-Domain angeboten werden.

Auf die Hilfe der Politik setzt derweil »Access Now«, eine internationale gemeinnützige Vereinigung für Menschenrechte und öffentliche Ordnung. In einem offenen Brief an Mitglieder des US-Kongresses verlangt man, den Verkauf von PIR zu untersuchen und eine öffentliche Anhörung anzusetzen. ISOC und Ethos Capital hätten es versäumt, diejenigen Stakeholder zu beteiligen, die am meisten betroffen sind: die Zivilgesellschaft, die sich darauf verlassen, dass .org funktioniert. Damit reiht sich Access Now in die Riege der Personen und Organisationen ein, die sich wegen befürchteter Preissteigerungen gegen die Transaktion wehren, darunter Tim Berners-Lee, der Begründer des World Wide Web, ICANN-Gründungsmitglied Esther Dyson, die Electronic Frontier Foundation (EFF) und der Domain-Registrar Namecheap Inc. Auch der Ruf, dass der weltweit größte Registrar GoDaddy als »weisser Ritter« .org übernehmen soll, wurde bereits laut. In jedem Fall werden uns die Diskussionen rund um .org noch im Jahr 2020 verfolgen.

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