Im Streit um unter anderem die geschäftliche Nutzung der beiden Domains otto-shop.ch und ottoversand.ch hat das Schweizer Bundesgericht die Entscheidung des Kantonsgericht Luzern aufgehoben und zurückverwiesen. Das Schweizer Bundesgericht stellte Fehler bei der Entscheidung der Vorinstanz fest, die die Nutzung der Domains erlaubte.
Die 1949 gegründete deutsche »Otto GmbH & Co. AG« als Muttergesellschaft des weltweit tätigen Handels- und Dienstleistungskonzerns »Otto-Gruppe« ist in der Schweiz seit 1996 auch im Online-Handel tätig, nachdem sie das Schweizer Unternehmen Jelmoli erworben hatte, das sie als Jelmoli-Versand fortführt. Sie ist auch mit anderen Versandhäusern auf dem Schweizer Markt präsent und erzielt damit in der Schweiz einen Umsatz von rund CHF 400 Mio. Mit der Marke »OTTO« ist sie dort nicht aktiv, besitzt aber die beiden Domains ottoversand.ch und otto-shop.de, die ursprünglich auf Jelmoli aufmerksam machten. Gleichwohl erzielt der Konzern über die Domain otto.de auch Umsätze in der Schweiz. Mit Schreiben vom 16. September 2016 teilte die Otto-Tochter UNITO Versand & Dienstleistungen GmbH der 1978 gegründeten Schweizer »OTTO’S AG« mit, dass sie ab dem zweiten Quartal 2017 auch in der Schweiz mit der Marke »OTTO« im Markt auftreten, einen Online-Shop eröffnen und im Kataloggeschäft tätig sein werde. Sie bot eine Koexistenz in dem Sinne an, dass jeder seine Sortimente in seiner Zielgruppe online vermarktet, wobei die Details noch in einem Gespräch zu klären seien. Die »OTTO’S AG« handelt mit Waren aller Art, insbesondere in rund 100 eigenen Verkaufsgeschäften, aber auch online. Sie ist Inhaberin einer Wort-/Bild-Marke »OTTO’S« sowie weiterer Wortmarken, die den Zeichenbestandteil »OTTO’S« als Kernelement beinhalten. Die OTTO’S AG erklärte sich mit dem Vorschlag einer Koexistenz beider Unternehmen auf dem Schweizer Markt nicht einverstanden, da sie die Verwechslungsgefahr als sehr groß erachtete, wenn das Zeichen otto-versandhandel.ch im schweizerischen Markt auftrete; mit einem Zeichen otto.de/.ch könne sie sich jedoch einverstanden erklären. Weitere Verhandlungen zwischen den Parteien scheiterten.
Am 07. April 2017 reichte die OTTO’S AG beim Kantonsgericht in Luzern Klage ein, unter anderem mit dem Antrag, das Gericht möge es verbieten, dass OTTO oder UNITO einen Domain-Namen mit der Top Level Domain .ch, der die Zeichen »OTTO« und/oder »OTTO-VERSAND« enthält, in Alleinstellung oder in Verbindung mit zusätzlichen Elementen, registrieren oder durch einen Dritten registrieren lassen und/oder einen solchen bereits registrierten Domain-Namen erwerben oder aktiv nutzen bzw. durch einen Dritten erwerben oder aktiv nutzen lassen. Sie stützte sich dabei auf Markenrecht und das Recht des unlauteren Wettbewerbs (UWG). Zugleich stellte sie den Antrag, den Gegnerinnen die Aufnahme des Online-Handels unter den strittigen Zeichen vorsorglich zu verbieten. Letzterem Antrag gab das Kantonsgericht Luzern am 14. August 2017 statt. Eine Beschwerde der Gegnerinnen gegen diese Entscheidung wies das Bundesgericht am 12. Februar 2018 ab. Das Kantonsgericht Luzern wies die Klage von OTTO’S letztlich aber mit Urteil vom 26. November 2018 ab: Das Gericht verneinte ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin daran, den Gegnerinnen den stationären Detailhandel verbieten zu lassen. Sie habe im Hinblick auf den Anspruch aus dem UWG nicht aufgezeigt, ob und inwiefern sie im Online-Handel mit ihrem Zeichen materiell zeitliche Priorität und eine schutzwürdige Marktposition erworben habe, weshalb die Prüfung einer etwaigen Verwechslungsgefahr nicht notwendig und ein Rechtsschutzinteresse nicht erkennbar sei. Gegen diese Entscheidung legte OTTO’S Beschwerde zum Bundesgericht ein.
Das Schweizer Bundesgericht gab OTTO’S teilweise Recht und verwies die Sache an das Kantonsgericht Luzern zurück (Urteil vom 23. Mai 2019, Az. 4A_22/2019). Zunächst verfügte auch das Bundesgericht das Verbot des Online-Handels unter der Marke »OTTO« gegen die Gegnerinnen – solange das bundesgerichtliche Verfahren andauere. Das Bundesgericht stellte nach eingehender Prüfung fest, dass die Parteien dieses Rechtsstreits aufgrund der Konstellation von Markenrechten, deren Prioritäten und dem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland zu markenrechtlicher Koexistenz gezwungen seien. Weiter diagnostizierte das Bundesgericht jedoch einen Fehler des Kantonsgerichts bei der Prüfung des Anspruchs aus dem UWG. Nach dem einschlägigen Art. 3 lit. d UWG handelt unlauter insbesondere, wer Maßnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen. Das Gericht prüfte die Verwechslungsgefahr nicht, weil es davon ausging, dass die Klägerin keine schutzwürdige Marktposition innehabe. Denn die Klägerin erziele ihren Umsatz zu 98 Prozent über ihre Filialen und nur zu 2 Prozent online, während die Gegnerinnen sich allein auf das Online- und Kataloggeschäft beschränkten und keine Filialen betreiben und betreiben wollen. Doch bei der Bewertung der schutzwürdigen Marktposition hatte das Gericht sich ausschließlich auf den Online-Bereich gestützt und nicht den Gesamtauftritt von OTTO’S berücksichtigt. Mit dieser Beschränkung habe das Gericht verkannt, dass der Kunde nicht nach Vertriebskanälen differenziere, sondern z.B. online recherchiere und dann im Laden kaufe, oder im Ladengeschäft Preisvergleiche anstelle und dann online kaufe. Zudem machten die 2 Prozent Online-Handel bei OTTO’S im Jahresumsatz 2016/2017 CHF 14,7 Mio. aus. Der von den Gegnerinnen geplante Marktauftritt unter OTTO und OTTO-VERSAND würde eine Verwechslungsgefahr mit den Waren oder dem Geschäftsbetrieb der Beschwerdeführerin schaffen, wenn beim Publikum der Eindruck erweckt würde, die so gekennzeichneten oder vertriebenen Waren stammten aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin. Im Hinblick darauf hatte die Beschwerde Erfolg. Das Bundesgericht verwies die Sache an das Kantonsgericht Luzern zurück, damit dieses die Prüfung der Verwechslungsgefahr vornimmt.
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