BGH

Verlag verliert im Streit gegen Stadtportal dortmund.de

In einer aktuellen Entscheidung setzte sich der Bundesgerichtshof (BGH) wieder einmal mit einem Stadtportal und der Marktverhaltensregelung des aus der Institutsgarantie der Presse gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Gebots der Staatsferne der Presse auseinander. Der klagende Verlag vermochte sich nicht gegen das Stadtportal dortmund.de durchzusetzen.

Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Verlag und vertreibt neben Tageszeitungen in Form von Printmedien auch digitale Medien. Die beklagte Stadt betreibt die Internetseite dortmund.de. Auf diesem Stadtportal werden neben amtlichen Mitteilungen auch redaktionelle Inhalte veröffentlicht. Nach der Eigenwerbung soll das Stadtportal dortmund.de umfassend und aktuell über das Geschehen in Stadt, Verwaltung und Stadtbezirken informieren, die neuesten Meldungen veröffentlichen und Veranstaltungen bekannt machen. Die Redaktion des Stadtportals erklärt unter anderem, sie berichte umfassend mit journalistischem Know-how in Wort und Bild zu Dortmunder Themen wie Politik, Sport, Wirtschaft, Kultur und Freizeit. Die Klägerin ist der Auffassung, das Stadtportal dortmund.de verstoße gegen das Gebot der Staatsferne der Presse und sei deshalb wettbewerbswidrig. Im Rahmen des Rechtsstreits beantragte sie die Unterlassung der Veröffentlichung zahlreicher, von ihr benannter Artikel. Vor dem Landgericht Dortmund erklärte sich die Beklagte bereit, keine kommerzielle Werbung mehr zu veröffentlichen und teilweise Sportberichterstattung innerhalb eines Artikels zu Borussia Dortmund zu unterlassen. Das Landgericht gab dem Hauptantrag der Klägerin statt (Entscheidung vom 08.11.2019 – Az. 3 O 262/17). Die Beklagte ging in Berufung und hatte vor dem OLG Hamm Erfolg (Entscheidung vom 10.06.2021 – Az. I-4 U 1/20), da das Gericht auf der Grundlage des Vortrags der darlegungsbelasteten Klägerin nicht feststellen konnte, dass der Gesamtcharakter des Angebots geeignet sei, die Institutsgarantie der Pressefreiheit zu gefährden, und einen pressesubstituierenden Gesamtcharakter aufweise. Das OLG Hamm ließ die Revision zu, was die Klägerin nutzte, vor den BGH zu gehen und dort die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zu beantragen.

Entscheidungsgründe
Der BGH wies die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Juni 2021 zurück (BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – Az. I ZR 97/21). Der BGH stellte fest, dass der Klägerin der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse nicht zusteht. Ein Verstoß der Beklagten gegen die Marktverhaltensregelungen (§ 3a UWG) liege nicht vor. Die von der Klägerin beanstandeten Beiträge in den einzelnen Rubriken des Stadtportals befinden sich jeweils neben einer Vielzahl weiterer Beiträge. Dem Klägervortrag nach sei nicht feststellbar, dass durch den Betrieb des Stadtportals ein Leserverlust bei der privaten Presse und damit eine dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten eintrete. Die Kompetenz der Kommunen zur Information der Bürgerinnen und Bürger erlaube nicht jegliche pressemäßige Äußerung, die irgendeinen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft aufweist. Ihre äußere Grenze fänden kommunale Publikationen in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; es dürfe keine Einflussnahme des Staates auf den Meinungsmarkt erfolgen. Allerdings müsse die Gemeinde in der Lage sein, ihre Aufgaben zu erfüllen. Ob und inwieweit bei kommunalen Online-Publikationen – im Unterschied zum Markt der klassischen lokalen (Print-)Presse – aufgrund der Informationsfülle im Internet die Grenzen eingehalten werden, bedürfe der Feststellung im Einzelfall. Dabei sei eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet, vorzunehmen.

Das Berufungsgericht lehnte eine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse nach einer wertenden Gesamtbetrachtung des Stadtportals der Beklagten ab. Dies war aus Sicht des BGH nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Gesamtbewertung sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht allein auf die unzulässigen Beiträge abzustellen und der Anteil der zulässigen kommunalen Öffentlichkeitsarbeit außer Acht zu lassen. Dem folgend, rechnet der BGH in seiner Entscheidung die Anzahl der von der Klägerin gerügten Beiträge der Beklagten auf und setzt sie ins Verhältnis zur Anzahl aller Artikel in den jeweiligen Rubriken des Stadtportals. Das Gericht kommt so zu dem Schluss, dass bei einer Gesamtbetrachtung hier keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Pressefreiheit bestünden:

»Das Stadtportal besetze zwar eindeutig auch Themen, deretwegen Zeitungen gekauft würden. Nach dem Klägervortrag sei jedoch nicht feststellbar, dass durch den Betrieb des Stadtportals in der streitgegenständlichen Form ein Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten eintrete. Trotz entsprechenden Hinweises habe die Klägerin ihr Vorbringen nicht substantiiert.«

Der BGH macht in seiner Entscheidung deutlich, dass es nicht nur auf die Inhalte ankomme, sondern auch darauf, wie die Informationen den angesprochenen Gemeindemitgliedern präsentiert werden. Das Stadtportal sei gestaltet, wie man das von einer Webseite erwartet, reich bebildert und mit vielen Links. Das führe nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Klägerin scheiterte auch daran, dass sie neben substantiiertem Vortrag zu einzelnen unzulässigen redaktionellen Beiträgen keinen substantiierten Vortrag dazu lieferte, dass die wertende Gesamtbetrachtung der Publikation zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse führt. Der BGH macht deutlich, es sei nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, unabhängig vom Vortrag der Klägerin den gesamten Inhalt des Telemedienangebots der Beklagten auf Umstände durchzusehen, die in die wertende Gesamtbetrachtung einzubeziehen sein könnten. Damit wies der BGH die Revision der Klägerin zurück.

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