tipp.ag

Domain-Endungen am Rande des Nervenzusammenbruchs

Der Titel dieses Artikels klingt schlimmer und zugleich ironischer, als der nun folgende Inhalt. Aber man muss sich schon fragen, ob nicht der Hick-Hack um Domain-Entscheidungen einen Anflug von Hysterie eignet. Mit der Entscheidung tipp.ag des Landgericht Hamburg (Urteil vom 02.09.2003, Az. 312 0 271/03) scheint die Rechtsprechung Amok zu laufen; bei näherer Betrachtung geht das Gericht nur einen Fußbreit zu weit. Die Begründung des Urteils hat einiges für sich. Es bleibt aber eine Einzelfallentscheidung, die zuletzt dennoch nicht zu überzeugen vermag.

Die Parteien stritten um die Verwendung der Bezeichnung »tipp.AG« und »tipp.ag«. Die »TippAG 24« klagte gegen die Moramis GmbH, die seit 05.08.2002 Inhaberin der Domain »tipp.ag« ist. Die Moramis GmbH nutzte die Domain »tipp.ag« für einen Teledienst, der Kunden die Teilnahme an Lottospielgemeinschaften ermöglicht. Sie bewarb diesen Teledienst mit zahlreichen Bannern und der Kennzeichen »tipp.AG«. Auf der Homepage tritt die Morales GmbH regelmäßig unter dem Kennzeichen »tipp.ag« in Erscheinung.

Die TippAG 24 begehrte die Unterlassung der Nutzung der Kennzeichen, Auskunft über die Nutzung, insbesondere über Kundenumsätze, und die Feststellung, dass die Beklagte Schadensersatz zu leisten habe. Aus Sicht der Klägerin würden die Kunden der Beklagten durch die Bezeichnung »AG« und den damit verbundenen Eindruck, es handle sich um eine Aktiengesellschaft, irregeführt.

Die Beklagte wehrte sich, indem sie auf die Bedeutung der Abkürzung »ag« als »Abgabengemeinschaft« verwies, die mehrfach auf der Homepage benützt werde.

»Mit Rücksicht auf die vielfältigen Bedeutungen, für welche die Abkürzung ›ag‹ stehen könne, werde der Verkehr durch die verwendete Bezeichnung nicht in die Irre geführt«
Den Ansprüchen der Klägerin gab das LG Hamburg im Rahmen des Hauptsacheverfahrens, dem ein einstweiliges Verfügungsverfahren vorausgegangen war, statt. Das Gericht sah seitens der Beklagten ein Verstoss gegen §§ 1 und 3 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Das Gericht führt – die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren zitierend – aus:
»Die Antragsgegnerin benutzt die Bezeichnung „tipp.AG“ ausweislich der eingereichten Anlagen […] im Rahmen ihre Internetangebotes an prominenter Stelle nicht nur als Internetdomain, sondern auch als besondere Geschäftsbezeichnung auch zur Kennzeichnung ihres Geschäftsbetriebes.«
In der Tat scheint diese Form der Selbstdarstellung nicht korrekt zu sein. Und richtig führt das Gericht weiter aus:
»Dem Verkehr ist in der Regel schon nicht bekannt, dass die Endung ›.ag‹ im Rahmen einer Internetadresse eine Länder-Kennung ist, die auf Antigua und Barbuda verweist. Er erwartet zudem nicht, dass ein solcher Bestandteil einer Internetadresse in Großbuchstaben daherkommt. So wie die Antragsgegnerin Gegenteiliges behauptet, ist die Richtigkeit ihrer Behauptung nicht erkennbar. «
Der Blick auf die Website der Beklagten bestätigt mehr oder weniger auch die folgenden Ausführungen des LG Hamburg:
»Aus dem Gesamtzusammenhang des Internetauftritts der Antragsgegnerin spricht nichts dafür, dass die von ihr verwendete Abkürzung (AG) für ›Amtsgericht‹, ›Arbeitsgruppe‹, ›Arbeitsgemeinschaft‹ oder sonstige Begriffe stünde, für die dem Verkehr die Abkürzung ›AG‹ in anderem Zusammenhang bekannt sein mag. Ohne derartige Zusammenhänge wird er die angegriffene Bezeichnung aber als eine solche ansehen, die eine Aktiengesellschaft mit dem Namen ›tipp‹ bezeichnet. Dies jedenfalls dann, wenn die Buchstaben A und G – wie im Streitfall geschehen und zum Gegenstand des Verbots gemacht – als Großbuchstaben daherkommen und so der gewöhnlichen Schreibweise der Abkürzungen für Aktiengesellschaft entsprechen. […] Auch die von der Antragsgegnerin angeführten Zusätze, wie etwa der Hinweis auf die starke ›Abgabegemeinschaft‹, bewirken kein anderes Verständnis. […] «
Den Begriff Abgabengemeinschaft würde der Internetnutzer jedenfalls nicht überwiegend auf das Kennzeichen »AG« beziehen. Auch der Umstand, dass
»auf einer anderen Seite des Internet-Angebotes der Antragsgegnerin die Rechtsform der Antragsgegnerin (GmbH) noch einmal ausdrücklich genannt ist, schließt eine Irreführung des Verkehrs, der jene Seiten, insbesondere das Impressum oder die AGB’s der Antragsgegnerin, nicht stets zur Kenntnis nehmen wird, ebenfalls keineswegs aus.«
das Gericht ist der Auffassung, dass diese Erläuterungen auf der Website der Beklagten zu spät kämen, da die Wirkung der in Rede stehenden Angaben sich bereits entfaltet habe. Schaut man sich die Website jetzt an findet man auf einem kleinen Monitorspiegel problemlos am unteren Rand die Angabe zu Rechtsform der Betreiberin; wobei man bei der Copyright-Angabe nicht sicher sein kann, sie beziehe sich nicht einfach auf das Design der Website. Zum Design des Kennzeichens tipp.ag nimmt das Gericht auch Stellung:
»Soweit die Antragsgegnerin anführt, der in Rede stehende Bestandteil ›AG‹ sei kleiner geschrieben als der Voranstehende Bestandteil ›tipp‹, steht das einer Irreführung gleichfalls nicht entgegen. Die Buchstabengröße wird vom Verkehr kaum wahrgenommen. Wenn doch, so erscheinen die unterschiedlichen Buchstabengrößen lediglich als Ausdruck einer spielerischen grafischen Gestaltung, die an dem Verständnis vom Gesamtbegriff nichts ändert.«
Das Gericht resümiert für die Bezeichnung tipp.ag:
» […] « die Bezeichnung ›tipp.ag‹ ist in dem angegriffenen Umfang gleichfalls irreführend im Sinne des § 3 UWG.«
Soweit die durchaus nachvollziehbare Begründung des LG Hamburg. Wo liegt da nun aber ein Fehler, an welcher Stelle geht die Einschätzung des Gerichts fehl? Vielleicht hätte die Kammer des LG Hamburg sich die Frage nach dem milderen Mittel stellen sollen, wie es vom Bundesgerichtshof in dem Streit um die Domain vossius.de gestellt, und wie es vom OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung solingen.info aufgegriffen hat. Durch eine klare Kennzeichnung auf der Homepage der Morales GmbH wäre das Problem aus der Welt zu schaffen gewesen.

Denn die Ansicht, der Internetnutzer werde die Domain-Endung .ag als Abkürzung für eine Aktiengesellschaft verstehen, findet im Allgemeinen keinen Halt. Die Abkürzung hat zahlreiche Bedeutungen, die die Beklagte auch angesprochen hat. Die Darstellung als tipp.ag auf den unterschiedlichen Seiten der Homepage der Beklagten ist allerdings unglücklich, wobei aber auch nie von »der« tipp.ag die Rede ist, die den Eindruck einer Aktiengesellschaft mit sich brächte, sondern immer nur von »tipp.ag«. Zudem ist das Gericht im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens der Argumentation der Klägerin gefolgt, wonach die angesprochenen Kunden durch die Nutzung der Bezeichnung tipp.AG und dem so sich ergebenden Eindruck, es handele sich um eine Aktiengesellschaft:

»derartigen Unternehmen ein besonderes Vertrauen entgegen brächten,«
und so in die Irre geführt würden. Dass Aktiengesellschaften nach den Börsen-Enttäuschungen durch von monopolistischen Großunternehmen ausgestreuten »Volks-«Aktien nur mehr wenig vertrauen genießen, ist sicher keine gewagte Vermutung. Und ob sich der Tipp-Kunde Gedanken über die Rechtsform des Anbieters macht, darf auch bezweifelt werden.

So wie sich das Urteil im einzelnen darstellt, bedeutet es keine wirkliche Gefahr für die Neubewertung von Domain-Endungen in einem restriktiven Sinne: für .ag-Domains wird es in Deutschland keinen Aktiengesellschaftszwang geben. Die Entscheidung des LG Hamburg weist nicht explizit, aber letztlich darauf hin, dass die Inhaber und/oder Betreiber solcher Websites deutlicher darauf hinweisen müssen, welcher Rechtsform sie angehören bzw. keine Verwirrung stiftenden Angaben machen sollten. Allerdings ist bedauerlich, dass das LG Hamburg in seiner Entscheidung nicht nach dem milderen Mittel für den Tenor des Urteils gesucht hat; so konnte es dieses auch nicht finden und eine angemessene Entscheidung treffen.

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