Bittere Arznei

Urteil des OLG Stuttgart im Streit um S.th.-Apotheke.de

Das OLG Stuttgart musste im Streit zweier Apotheken wegen Werbevergehen nach dem Heilmittelgesetz entscheiden. Dabei war zu bewerten, inwieweit auch eine Domain nach dem Schema »arzneimittelbezeichnung«-apotheke.de zum Werbevergehen beiträgt.

Die wettbewerbsrechtliche Klage zwischen zwei Apothekern kam wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) zustande. Der Kläger mahnte mit Anwaltsschreiben vom 01. Februar 2017 den Gegner wegen der Art, wie dieser für seine Apotheke eine Domain und eine Website nutzte, ab. Im Namen der umstrittenen Domain steht die Bezeichnung eines Arzneimittels; in der Entscheidung des OLG Stuttgart wird der Domain-Name als S.th.-Apotheke.de abgekürzt. Die S.th.-Präparate wurden aber vor allem auf der Website des Gegners ausführlich beschrieben. Es gibt sie seit 2012 nicht mehr als Fertigarzneimittel, sondern als sogenannte Defekturarzneimittel, welche in Apotheken selbst hergestellt werden. Solche Produkte mit S.th. stellen ein besonderes Angebot des Beklagten dar. Auf seiner Homepage waren mehrere rezeptpflichtige S.th.-Produkte mit weiterführenden Informationen zum Inhalt der Produkte, zu den erforderlichen Rezepten und zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen aufgeführt. Für den Klagenden gingen die Beschreibungen der Präparate über rein sachliche Information hinaus und waren werblicher Natur, womit aus seiner Sicht ein Verstoß gegen das Laienwerbeverbot des § 10 Abs. 1 HWG vorlag. Schon die Domain S.th.-Apotheke.de sei bereits ein werbender Hinweis auf die Produkte des Gegners. Der Gegner hielt entgegen, er habe auf seiner Webseite konkret auch auf homöopathische Arzneimittel hingewiesen, die von der Verschreibungspflicht ausgenommen seien.

Vor dem Landgericht Ravensburg (Urteil vom 23.11.2017, Az. 7 O 11/17 KfH) bekam der Gegner Recht. Das LG Ravensburg stellte sich auf den Standpunkt, dass der Internetauftritt des Gegners im Wesentlichen keine Werbung, sondern lediglich eine Information für denjenigen enthalte, der die Webseite des Beklagten bewusst aufsuche. Der Verbraucher müsse selbst aktiv werden, um an die Information zu gelangen. Die Hinweise zu den Präparaten hätten keinen werbenden Charakter, sondern dienten lediglich der ausreichenden Beschreibung des Wirkstoffs, um den Verbraucher und die verschreibenden Ärzte ausreichend zu informieren und eine möglichst reibungslose Abwicklung bei der Belieferung und der Erstattung der Kosten zu ermöglichen. Die Verwendung der Domain S.th.-Apotheke.de sei nicht zu beanstanden, weil im Vordergrund die Information über die Spezialisierung stehe und sich die Information nur an solche Adressaten richte, die im Internet danach forschten. Der Kläger änderte ein wenig an seinen Anträgen und ging in Berufung zum OLG Stuttgart.

Das OLG Stuttgart gab der Berufung statt und verurteilte den Beklagten unter anderem, es zu unterlassen, unter der Domain S.th.-Apotheke.de verschreibungspflichtige S.th.-Präparate anzubieten und/oder für den Absatz von S.th.-Präparaten nach bestimmten Gesichtspunkten zu werben (Urteil vom 27.09.2018, Az. 2 U 41/18). Nach Ansicht des OLG Stuttgart erstreckt sich das Laienwerbeverbot des § 10 HWG nicht nur auf Fertigarzneimittel (von Pharmaunternehmen), sondern auch auf Defektur- und Rezepturarzneimittel, also Arzneimittel, welche die Apotheke selbst herstellt, weil auch diese verschreibungspflichtig sein können. Die streitgegenständlichen S.th.-Präparate seien verschreibungspflichtige Arzneimittel und würden daher von § 10 Abs. 1 HWG erfasst. Sowohl die Nutzung der Domain S.th.-Apotheke.de als auch der Inhalt der Homepage stellten aus Sicht des OLG Stuttgart Werbung im Sinne des § 10 Abs. 1 HWG dar, denn beide dienten dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von S.th.-Präparaten zu fördern. Das Landgericht ging allerdings von einer bloßen Imagewerbung aus, doch um eine solche handele es sich nicht. Denn auf seiner Homepage lenke der Beklagte die Aufmerksamkeit des Publikums auf die namentlich benannten und im Einzelnen beschriebenen S.th.-Präparate. Das gelte auch für die Domain S.th.-Apotheke.de, die auf die Webseite des Beklagten führt und auf der die S.th.-Präparate im Einzelnen aufgelistet sind. Aus diesem Grund liege in der Verwendung des Begriffs S.th. in der Domain dann doch ein Bezug auf für den Verbraucher ohne Schwierigkeiten individualisierbare Arzneimittel. Die Domain dürfe man dabei nicht isoliert bewerten, denn die Nutzung der Domain führe zwingend auf die Website des Beklagten.

Das OLG Stuttgart geht im Weiteren auf eine EuGH-Entscheidung ein, die deutlich macht, dass die Werbung von der rein informatorischen Angabe ohne Werbeabsicht abzugrenzen ist, was heikel ist, weil so oder so der Absatz eines Arzneimittels gefördert wird. Wichtig aber sei nach der EuGH-Rechtsprechung, ob Verbraucher sich die Informationen selbst ziehen müssen oder beispielsweise durch ein Pop-Up-Fenster aufgedrängt bekommen. Auf der Website des Beklagten gab es zwar kein Pop-Up-Fenster, jedoch sah das OLG Stuttgart hier ein Aufdrängen der Informationen, da Hinweise auf S.th.-Präparate schon in den allgemeinen Rubriken wie »über uns«, »Bestellung«, »häufige Fragen« und so weiter erschienen. Auch mit der Domain S.th.-Apotheke.de werde dem Verbraucher eine Information erteilt, die dieser nicht notwendigerweise gesucht hat, denn der Name erscheine schon bei der bloßen Suche nach der Apotheke des Beklagten. Die Informationen auf der Homepage über die S.th.-Präparate gingen über eine reine Information hinaus, da beispielsweise unter der Rubrik »Präparate« Tipps zur richtigen Gestaltung des Rezepts für die Abrechnung mit der Krankenkasse und weitere Informationen zur Produktion und den Produktionsmitteln der Präparate gegeben würden. Im Weiteren setzte sich das OLG Stuttgart noch mit Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinander, fand jedoch keine Punkte, die seiner Einschätzung widersprachen. Damit konnte das OLG Stuttgart dem Unterlassungsantrag der Klägerin, die Domain S.th.-apotheke.de und die Website in der Form zu nutzen, wie zum Zeitpunkt der Abmahnung, stattgeben.

Das OLG Stuttgart schließt also eine isolierte Betrachtung des Domain-Namens im Rahmen der Bewertung eines Verstoßes gegen § 10 HWG aus. Die Domain ist nicht unabhängig vom Inhalt der Website zu betrachten, mit der sie verknüpft ist. Es sah ausserdem keinen Anlass, die Revision gegen die Entscheidung zuzulassen. Der Beklagte hat jedoch eine Zulassungsbeschwerde beim BGH gestellt. Wie über diesen entschieden wird, bleibt abzuwarten.

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