Der Bundesgerichtshof überprüfte in einem aktuellen Urteil, in welchen Fällen ein Bewertungsportalbetreiber für unwahre Tatsachenbehauptungen eines Portalbenutzers haftet. Solange der Portalbetreiber keine inhaltliche Kontrolle der Tatsachenbehauptungen vornimmt, macht er sie sich nicht zu Eigen und verbreitet sie auch nicht. Dass der Portalbetreiber die Einträge statistisch auswertet, einen Wortfilter nutzt und gegebenenfalls herausgefilterte Bewertungen überprüft, stellt dabei keine inhaltliche Kontrolle dar (BGH, Urteil vom 19. März 2015, Az.: I ZR 94/13).
Die Klägerin betreibt in Berlin ein Hotel, dessen Zimmer unmittelbar über ihre Internetseite gebucht werden können. Sie verlangt von der Beklagten, die im Internet ein Online-Reisebüro sowie ein Hotelbewertungsportal betreibt, auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage Unterlassung einer im Hotelbewertungsportal veröffentlichten Tatsachenbehauptung. Darin hatte eine Nutzerin unter anderem behauptet, die Betten wären mit Bettwanzen befallen. Die Klägerin mahnte die Beklagte ab, die daraufhin die Bewertung im Bewertungsportal löschte. Die von der Klägerin verlangte Unterlassungserklärung gab sie jedoch nicht ab. Aus diesem Grunde ging die Klägerin gerichtlich gegen die Beklagte vor. In erster Instanz beim Landgericht Berlin scheiterte sie (Entscheidung vom 16.02.2012, Az.: 52 O 159/11). Die Klägerin ging in Berufung, scheiterte aber auch vor dem Kammergericht Berlin (Entscheidung vom 16.04.2013, Az.: 5 U 63/12). Schließlich ging sie in Revision zum Bundesgerichtshof.
Der BGH wies die Revision zurück, weil die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Unterlassung der beanstandeten Angaben verpflichtet ist (Urteil vom 19. März 2015, Az.: I ZR 94/13). Klar ist, dass die Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis stehen: das Vorhalten eines Portals mit Hotelbewertungen auf einer Internetseite, unter der auch die Dienstleistungen eines Reisebüros angeboten werden, ist eine geschäftliche Handlung. Mit dieser tritt die Beklagte in Wettbewerb zur Klägerin, über deren Website Endverbraucher Buchungen vornehmen können. Die Gerichte gehen davon aus, dass die angegriffenen Behauptungen auf dem Bewertungsportal unwahr sind. Allerdings ist sich der BGH mit dem Kammergericht einig, dass die Beklagte die unwahren Tatsachen nicht behauptet (§ 4 Nr. 8 UWG): Sie gibt keine eigenen Tatsachenbehauptungen wieder, die stammen vielmehr von der Nutzerin des Hotelbewertungsportals. Die Beklagte machte sich die Behauptung auch nicht zu eigen. Dazu müsste die Beklagte nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die in dem Bewertungsportal veröffentlichten Inhalte übernehmen oder den zurechenbaren Anschein erwecken, sie identifiziere sich mit diesen. Inhalt und Gestaltung des Bewertungsportals der Beklagten erwecken aber nicht den Eindruck, die Beklagte identifiziere sich mit den veröffentlichten Angaben der Nutzer. Die Beklagte wertet die von Nutzern gemachten Angaben statistisch aus und nutzt einen Wortfilter, um Beleidigungen und Eigenwerbung auszuschließen. Gefilterte Bewertungen überprüft sie manuell auf Einhaltung der Nutzungsbedingungen. Diese Maßnahmen sind mit einer inhaltlich redaktionellen Kontrolle aber nicht vergleichbar, denn die Beklagte nimmt dadurch keinen Einfluss auf die Inhalte der Bewertungen.
Auch eine Verbreitung der unwahren Tatsachen, indem die Bewertung der Nutzerin auf dem Portal freigegeben wurde, ist der Beklagten nicht vorzuwerfen (§ 4 Nr. 8 UWG). Der BGH ist der Ansicht, der Begriff des Verbreitens muss für die Weitergabe von Tatsachenbehauptungen über Bewertungsportale eingeschränkt werden. Betreiber wie die Beklagte müssten andernfalls jeweils eine umfassende inhaltliche Prüfung durchführen. Das ist ihr jedoch nicht zumutbar und wird vom Gesetzgeber auch nicht verlangt: Die Beklagte ist hier Diensteanbieter, der auf seinem Server die fremden Daten der Nutzer einstellt; sie ist nicht verpflichtet, diese zu überwachen (§§ 8 bis 10 TMG, § 7 Abs. 2 S. 1 TMG). Es bestehen auch keine spezifischen Überwachungspflichten für die Beklagte, da sie keine aktive Rolle hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten unwahren Tatsachenbehauptungen einnimmt. Die Auswertungen der Bewertungen und der Einsatz des Wortfilters und gelegentliche Überprüfungen von über den Wortfilter ausgewiesenen Einträge stellen keine aktive Rolle dar, weil eine über die Aussonderung gegen die Nutzungsbedingungen verstoßender Beiträge hinausgehende inhaltliche Einflussnahme nicht erfolgt. Die Beklagte verlässt ihre neutrale Position nicht, wenn sie durch den Wortfilter aussortierte Einträge manuell auf Verletzung der Nutzungsbedingungen überprüft, da sie dabei keine Kenntnis von etwaigen unwahren Tatsachenbehauptungen erhält. Erst wenn die Beklagte auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird, muss sie nicht nur die konkrete Bewertung unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt, andernfalls verbreitet sie die unwahre Tatsache.
Darüber hinaus haftete die Beklagte auch nicht wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten, da erst der Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung den Betreiber einer Plattform dazu verpflichtet, die konkrete Bewertung unverzüglich zu sperren, was die Beklagte hier aber unverzüglich nach Kenntnisnahme tat. Und es liegt keine Erstbegehungsgefahr vor, da nicht ersichtlich ist, warum die Beklagte künftig nicht gegen ihr zur Kenntnis gebrachte rechtsverletzende Inhalte vorgehen würde.
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