LG München I Urt. v. 24.09.2000 Az. 4HK O 13251/00
Leitsätze der Redaktion:
1. Sowohl die Rechtsfrage, ob und inwieweit die Verwendung eines allgemeinen Begriffes bzw. einer Gattungsbezeichnung als Internet-Domain wettbewerbswidrig ist, als auch die tatsächliche Feststellung, wie sich die Suchgewohnheiten der Internet-Nutzer tatsächlich gestalten, ist nur jeweils im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falls zu bestimmen.
2. Mit der Beschreibung „Autovermietung“ ist der Tätigkeitsbereich der Klägerin und der Beklagten zu 2) nicht abschließend beschrieben, gerade im Bereich der gewerblichen Mietwagenvermittlung sind weitere beschreibende Kennzeichnungen vorhanden. Aus diesem Grund steht eine maßgebliche Kanalisierung der Verbraucherkreise durch die Verwendung der Domain „autovermietung.com“ nicht zu erwarten.
Das LG München hatte im Streit zweier weltweit agierenden und marktführenden Autovermieter darüber zu befinden, ob die Nutzung der Domain „autovermietung.com“ wettbewerbswidrig ist. Die Klage wurde abgewiesen; die Verwendung dieser Domain ohne differenzierenden Zusatz ist nicht wettbewerbswidrig.
Der Vorwurf der Klägerin ging dahin, die Beklagten würden sich das typische Suchverhalten der Nutzer im Internet zu nutze machen, da ein nicht unerheblicher Teil der Nutzer den Zugang zu bestimmten Seiten nicht mittels einer Suchmaschine, sondern über Direkteingabe von Domainnamen suchen würden. Die Beklagten hielten entgegen, auch die Klägerin unterhalte Internet-Domains, die diesen Effekt mit sich bringen. Außerdem bestünden diese Suchgewohnheiten bei Internet-Nutzern nicht, üblicherweise werden Suchmaschinen benutzt.
Hintergrund dazu ist, dass die Domain „autovermieter.com“ mit der Webseite der Beklagten zu 2) verlinkt ist und den Nutzer sogleich auf diese Seite leitet.
Das LG München I kam zu dem Ergebnis, dass die Verwendung der Domain „autovermietung.com“ sich nicht als wettbewerbswidrige Behinderung des Leistungswettbewerbs zu Lasten der Klägerin darstellt. Die Verwendung der Domain führe zu keiner unzulässigen Kanalisierung der Kundenströme, durch welche die Chancengleichheit im Wettbewerb gestört würde.
Das Gericht setzte sich in seiner Entscheidung mit dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu „mitwohnzentrale.de“ auseinander. Es stimmt dem Hanseatischen Oberlandesgericht teilweise zu: Im Einzelfall komme es darauf an, ob Internet-Nutzer durch eine solche Domain tatsächlich abgefangen werden, d.h. nicht nach einem anderen Angebot suchen oder nicht erkennen, dass es überhaupt andere Angebote gibt.
Allerdings geht das LG München I der Frage nach der Kanalisierung von potentiellen Kunden und damit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Beklagten zu 2) dabei sehr differenziert nach.
Das Gericht ist der Überzeugung, bei der Beurteilung des konkreten Falles komme es auch darauf an, ob der suchende Internet-Nutzer nach Eingabe der allgemeinen Bezeichnung bzw. Gattungsbezeichnung auch noch nach anderen Anbietern suchen wird. Davon sei grundsätzlich auszugehen, wenn der Nutzer schon aus der Werbung weitere Unternehmen als Anbieter kennt.
Für das LG München I war von Bedeutung, dass mit der Beschreibung „Autovermietung“ der Tätigkeitsbereich der Klägerin und der Beklagten zu 2) nicht abschließend beschrieben ist. Im Bereich der gewerblichen Mietwagenvermittlung seien weitere Kennzeichnungen vorhanden. Gerade in der Umgangssprache werden auch andere Begriffe wie etwa „Leihwagen“ oder „Mietwagen“ oder „Autoverleih“ benützt. Schon deswegen sei eine maßgebliche Kanalisierung der Verbraucherkreise durch die Verwendung der Domain „autovermietung.com“ nicht zu erwarten.
Hinzu kommt nach Ansicht des LG München I, dass nicht nur die streitenden Parteien, sondern auch deren Konkurrenz auf dem Markt namentlich bestens bekannt seien. Jeder wisse ja doch, dass die einzelnen Autovermietungen Konkurrenz haben. Der Internet-Nutzer wird deshalb seine Suche mit Eingabe der Namen der Anbieter beginnen, um sich einen Angebotsüberblick zu verschaffen.
Deshalb geht das Gericht davon aus, dass auch der Nutzer, der über die Eingabe von „autovermietung.com“ auf die Homepage der Beklagten zu 2) durchgeschaltet wurde, seine Suche nach weiteren Angeboten nicht beendet. Denn der Nutzer gehe nicht davon aus, die Beklagte zu 2) sei der einzige Anbieter von Mietwagen.
Anmerkung
Dieser Umstand ist der Unterschied zur Entscheidung des Hanseatischen OLG: denn wer kennt die unterschiedlichen Mitwohnzentralen? Aus der Werbung kennt man sie sicherlich nicht.
Was sich letztendlich fragt ist: Steht diese Entscheidung im Gegensatz zur Entscheidung des Hanseatischen OLG Hamburg über „mitwohnzentrale.de“ oder die des LG Köln über „versteigerungskalender.de“? Ändert sich die Richtung von Entscheidungen? Die Antwort ist ein klares Jein:
Das LG München I bestätigt die Ansicht des Hanseatischen OLG soweit das darauf verweist, es komme auf die Umstände des Einzelfalles an. Die Umstände des hier vorliegenden Falles waren anders zu bewerten als der, der in Hamburg entscheiden wurde. Mitwohnzentralen heißen nunmal Mitwohnzentralen, unter Markennamen sind sie nicht bekannt; anders die Autovermieter, die durch massive Werbung namentlich im Gedächtnis eines Jeden verankert sind (auch wenn uns auf Anhieb nicht immer alle einfallen, wir wissen, da gibt es noch andere). Mit dem Begriff Autovermietung verbinden wir tatsächlich nur den Vorgang als solchen bzw. die Anzahl der unterschiedlichen Unternehmen, die Autos vermieten. Gleiches gilt aber auch bei den Begriffen Autoverleih, Mietwagen und Leihwagen. Alle diese Begriffe verbinden wir mit Mietwagenunternehmen, jedoch nicht mit einem einzigen. Und solange nicht einer alle diese Begriffe als Domains registriert hat, findet die Kanalisierung der potentiellen Kunden nicht statt und es liegt kein wettbewerbswidriges Handeln vor. Aber selbst wenn dies der Fall wäre: eine namentlich bekannte Autovermietung findet man spätestens durch Eingeben ihres Namens als Second-Level-Domain.
Und das LG Köln? Das steht mit seiner Entscheidung alleine. Sie hat nach diesseitiger Beurteilung den Einzelfall zwar hinreichend gewürdigt, aber gleich wohl eine falsche Entscheidung getroffen. Die Erwägungen des LG Köln bei der Entscheidung „versteigerungskalender.de“ berücksichtigen die Tatsache nicht angemessen, dass die Nutzung der Domain durch einen örtlich auf Nordrhein-Westfalen begrenzten Anbieter den Internet-Nutzer darauf verweist, es handelt sich nicht um den einzigen Anbieter. Das Argument, es reiche, um den Wettbewerbsverstoß zu begründen, die Gefahr aus, wenn der Nutzer in Kenntnis, der Anbieter sei nicht der einzige, gleichwohl sich auf dessen Angebot beschränkt, geht an der Sache vorbei. Auch, wer sich einer Suchmaschine bedient und anhand des Suchergebnisses bei der erstbesten Seite bleibt und keinem anderen Link mehr nachgeht, handelt nicht anders. Dann führten Suchmaschinen immer zu wettbewerbswidrigen Kundenkanalisierungen. Das kann aber nicht sein, denn es widerspricht eklatant dem Anwenderverhalten der Nutzer.
Das LG München hat richtig entschieden und die Entscheidung auch richtig begründet. Es muss sehr genau hingeschaut werden, wie die tatsächlichen Verhältnisse in dem jeweiligen Falle sind, um eine Sachgerechte Entscheidung zu fällen. Diesem Anspruch ist das LG München gerecht geworden.