Das Oberlandesgericht in Hamm entschied in einem Urteil vom 19. Juni 2008 (Az.: 4 U 63/08), dass eine Anwaltskanzlei durchaus unter einer Domain, die aus anwaltskanzlei-„Ortsname“.de gebildet wird, auftreten kann, ohne eine wettbewerbswidrige Spitzenstellungsbehauptung aufzustellen. Damit weicht das Gericht von der früheren eigenen Rechtsprechung und der des OLG München ab.
Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Antragsteller ging gegen die Antragsgegner wegen einer aus seiner Sicht in der Registrierung und Nutzung der Domain anwaltskanzlei-„Ort“.de liegenden Spitzenstellungsbehauptung und einem fehlerhaften Impressum vor. Zunächst erlangte er beim Landgericht am 02. Januar 2008 eine einstweilige Verfügung, doch wurde die nach Widerspruch der Antragsgegner und der mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 31. Januar 2008 aufgehoben. Daraufhin legte der Antragsteller gegen die Entscheidung Berufung beim OLG Hamm ein und ergänzte seinen Vortrag dahin, dass die Kanzlei der Antragsgegner bei Standardsuchanfragen aufgrund der Domain anwaltskanzlei-„ort“.de regelmäßig unter den ersten Treffern zu finden sei; dies lässt darauf schließen, in der Domain sei eine Spitzenstellungswerbung zu sehen, zumal eine andere Domain der Antragsgegner von diesen nicht für Werbung genutzt werde. Hinsichtlich des fehlerhaften Impressums stellte er keine Anträge mehr, das Impressum war mittlerweile ergänzt.
Das OLG Hamm wies die Berufung zurück und bestätigte die Entscheidung erster Instanz. Die Parteien seien Konkurrenten, und die Nutzung der Domain stelle eine Wettbewerbshandlung dar (§ 2 Abs. 1 Ziff. 1 UWG), da man so Mandanten gewinnen wolle. Doch sei die angegriffene Wettbewerbshandlung nicht unlauter. Eine Irreführung durch diese Domain liegt nach Ansicht des OLG Hamm nicht vor, denn mit der Domain suggerierten die Antragsgegner nicht, dass ihnen unter den im Domain-Namen genannten Ort ansässigen Rechtsanwälten eine Spitzenstellung zukommt. Eine solche Spitzenstellung nehmen die Antragsgegner für sich selbst auch nicht in Anspruch. Die potentiellen Mandanten nähmen, so das Gericht weiter, den Domain-Namen auch nicht als Behauptung einer Spitzenstellung wahr. In der Regel setze eine Spitzenstellungswerbung zumindest voraus, dass einer Bezeichnung der bestimmte Artikel vorangestellt wird, weil bei dessen Betonung der Geschäftsbetrieb als hervorgehoben erscheint. Davon machen die Antragsgegner jedoch keinen Gebrauch. Schließlich ergibt sich aus dem Domain-Namen auch nicht, worin eine Spitzenstellung bestehen sollte.
Zu guter Letzt verweist das OLG Hamm noch auf sein früheres Urteil zur Domain tauchschule-dortmund.de, die der aktuellen Entscheidung diametral entgegensteht (Urteil vom 18.03.2003, Az.: 4 U 14/03); es erklärt, soweit das damalige Urteil so verstanden werden könnte, als bedeute allein schon die bloße Verknüpfung eines Gattungsbegriffs mit einem Ortsnamen eine Spitzenstellungsbehauptung, so halte man daran nicht fest.
Zu dieser Problematik gibt es eine noch ältere Entscheidung des OLG München (Urteil vom 18.04.2002, Az: 29 U 1573/02) über die Domain rechtsanwaelte-dachau.de, bei der das OLG München meinte, die Domain erwecke den Anschein, einen Zugang zu allen oder den meisten Anwälten in Dachau zu gewähren, was irreführende Werbung und ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht (§§ 1, 3 UWG a.F.) seitens des Inhabers der Domain darstelle. Ob das OLG in München sich heute der Ansicht des OLG Hamm anschlösse, lässt sich kaum sagen, doch hat sich der Umgang mit und das Verständnis für das Internet und Domains in den vergangenen sechs Jahren seit dieser Entscheidung doch nochmals normalisiert und ist den Nutzern selbstverständlicher geworden. So kann man auch für München hoffen: die Gerichte sehen, dass bei solchen Domain-Namen keine Wettbewerbsverletzung gegeben ist.