5.1 Ansprüche aus § 1 UWG

Wettbewerbswidrige Behinderung

Wie bei Ansprüchen aus dem Markenrecht, so setzen Ansprüche aus dem Wettbewerbsrecht voraus, dass die rechtsverletzend benutzte Domain im geschäftlichen Verkehr genutzt wird.

Zwei für das Domain-Recht relevante Anspruchsgrundlagen bietet das Wettbewerbsrecht: § 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) und § 3 UWG. § 1 UWG greift bei wettbewerbswidriger Behinderung, § 3 UWG greift bei Irreführung des Internetnutzers durch Herkunftstäuschung.

In diesem Teil wenden wir uns zunächst dem Anspruch aus § 1 UWG zu. Der lautet:

„Wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden.“

Diese Norm ist begrifflich sehr weit gefasst. Was die guten Sitten sind, gegen die die Handlung verstoßen muss, läßt sich nur schlecht verallgemeinert sagen. Vorteil dieses Begriffes ist seine Wandelbarkeit: Er passt sich der Zeit, in der er angewendet wird, an. Die guten Sitten, gerade im geschäftlichen Verkehr, sind in Bewegung und verändern sich ständig. Darum kommt es hierbei mehr denn je auf die Umstände des Einzelfalles an und die Einschätzung, was im Rahmen der guten Sitten bleibt und was ihn überschreitet.

Aber ganz in der Wüste befindet man sich nicht, bei der Prüfung, ob ein Anspruch aus § 1 UWG besteht. Die Rechtsprechung hat den Begriff der guten Sitten im Rahmen von § 1 UWG definiert und Fallgruppen gebildet, die die Rechtsfindung erleichtern. So zählt zu den beim Domain-Recht in Betracht kommenden Erwägungen die Frage, ob das Handeln des Domain-Inhabers eine zu missbilligende Behinderung darstellt, denn das wäre ein Verstoß gegen die guten Sitten.

Was aber ist eine zu missbilligende Behinderung? Sie liegt vor, wenn die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Unternehmens unter Abwägung der Interessen der Beteiligten nach Anlass, Zweck, Inhalt und Bedeutung der Maßnahme nicht zu rechtfertigen ist.

Es muss also zunächst die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit eines Unternehmens beeinträchtigt sein – und zwar durch die vom Domain-Inhaber registrierte Domain. Dieser Umstand tritt aufgrund der Struktur der Namens-Verwaltung im Internet recht leicht ein. Sobald ein Domain-Name unter einer Top Level Domain (TLD) registriert wird, kann kein anderer diesen Domain-Namen unter dieser TLD registrieren. Jeder Domain-Name ist also (zusammen mit der TLD) originär. Mit der Registrierung verdränge ich jeden anderen an dem Namen Interessierten; er muss ausweichen auf einen anderen Domain-Namen oder eine andere TLD. Registriere ich einen Unternehmensnamen als Domain-Namen, so kann das Unternehmen diese Domain nicht mehr registrieren; es kann sich nicht mehr richtig entfalten. Damit ist die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Unternehmens beeinträchtigt.

Als nächstes fragt sich, ob diese Beeinträchtigung gerechtfertigt ist oder nicht. Das heißt, ob der Domain-Inhaber die Domain berechtigter Weise inne hat oder ob er sich durch ihre Registrierung unlauter verhält. Hierzu sind die gegenseitigen Interessen, die des Domain-Inhabers und des in seiner Entfaltungsmöglichkeit beeinträchtigten Unternehmens abzuwägen. Als Kriterien für die Abwägung sind Anlass, Zweck, Inhalt und Bedeutung der registrierten Domain heranzuziehen.

Hat der Domain-Inhaber einen sachlichen Grund, die Domain zu besitzen, spricht das für ihn. Ein solcher Grund kann ein eigenes Schutzrecht wie Name, Werktitel oder Marke sein, auch eine angemeldete aber noch nicht eingetragene Marke kommt als Grund in Betracht, oder es ist ein konkretes Projekt unter der Domainbezeichnung von ihm geplant.

Kann der Domain-Inhaber keinen sachlichen Grund nennen, so ist er unlauterer Inhaber der Domain und wird sie abgeben müssen. Das ist der Fall, wenn er die Domain registriert hat, um Kunden des anderen auf seine Domain zu leiten. Davon ging das OLG München bei seiner Entscheidung (Urteil vom 23.09.1999, Az.: 29 U 4357/99) über die Domain „buecherde.com“ aus.

Das OLG München führt im Urteil aus:

„Von vornherein wettbewerbswidrig ist eine Maßnahme, die ausschließlich bezweckt, den Mitbewerber an seiner wettbewerblichen Entfaltung zu hindern. Von dieser Zielsetzung der Antragsgegnerin muss im Streitfall ausgegangen werden, da die Nutzung ihrer Domain „buecherde.com“ nach den Umständen keinen anderen Zweck haben kann .

Die Antragsgegnerin nutzt die Domain „buecherde.com“ zur Verweisung von Internet-Nutzern auf ihr eigenes Angebot als mit der Antragstellerin unmittelbar konkurrierende Buchhändlerin. Ihre Domain stimmt klanglich nahezu identisch mit der Firma der Antragstellerin überein. Im Schriftbild unterscheidet sie sich nur durch den Wegfall des Punktes zwischen „buecher“ und „de“.“

Ebenfalls wegen Unlauterkeit muss der Domain-Inhaber seine Domain abgeben, wenn er sie ausschließlich zum Zwecke des Verkaufs registriert hat. Das ist ein wenig problematisch, da dies gegen den Handel mit Domains spricht: zahlreiche Domain-Händler erwerben Domains, um sie zu einem besseren Preis zu verkaufen. Problematisch ist das in aller Regel nur, wenn mit den zum Verkauf registrierten Domains Rechte Dritter verletzt werden. Das war allerdings zunächst auch bei der Domain „literaturen.de“ der Fall, die der Domain-Inhaber registriert hatte noch bevor es die Literaturzeitschrift Literaturen gab. Das LG Düsseldorf (Urteil vom 06.07.2001, Az.: 38 0 18/01) war der Ansicht:

„Der Beklagte räumt selbst ein, eine Vielzahl von Namen reserviert zu haben, die im wesentlichen beschreibende Begriffe beinhalten. Solche Namen eignen sich in besonderer Weise zur Kennzeichnung von Dienstleistungen und als Warenoberbegriffe, so dass schon theoretisch mit einer erheblichen Anzahl von Interessenten in Zukunft gerechnet werden kann. (…)

Eine solche Art der Reservierung dürfte jedenfalls dann wettbewerbsrechtlich und auch im Sinne von § 826 BGB sittenwidrig sein, wenn allein die formalrechtliche Stellung dazu benutzt werden soll, Gewinne zu erzielen, deren Höhe nicht mir irgendeiner Leistung des Rechtsinhabers in Zusammenhang steht, sondern allein von der Bedeutung abhängt, die der „Vertragspartner“ der Sache beimißt.“

Diese Entscheidung ist äußerst problematisch, da sie dem Domain-Handel den Boden entzieht. Dabei ist diese Form des Handels mit dem Immobilienhandel vergleichbar. Wer Ackerland für 2 EUR pro Quadratmeter kauft, das nach wenigen Jahren in Bauland umgewidmet wird, das man dann für 200 EUR pro Quadratmeter an den Mann bringen kann, handelt auch nicht sittenwidrig.

Weiter geht man richtigerweise von der Unlauterkeit des Domain-Inhabers aus, wenn er Domain-Grabbing betreibt, also Domain-Namen registriert, um sie dem Inhaber des entsprechenden Kennzeichens zu verkaufen.

Und schließlich gibt es noch die sogenannten Tippfehlerdomains. Das sind Domain-Namen, die sich an bekannte Kennzeichen anlehnen (etwa „yaho.de“, „spigel.de“ usw.) und die registriert werden, damit über typische Tippfehler Traffic auf der eigenen Seite erzeugt wird. Die Inhaber solcher Domains handeln unlauter und haben keinen rechtfertigenden Grund im Sinne von § 1 UWG, aufgrund dessen sie ein Recht auf die Domain stützen können.

Im Rahmen der Abwägung ist freilich zu bedenken, dass nicht immer der Anspruchsteller so gewichtige Gründe hat, dass sie erfolgreich gegen die Rechtfertigung des Domain-Inhabers ins Feld geführt werden können. Hier gilt, je bekannter das Kennzeichen (des Anspruchstellers), desto geringer sind die Anforderungen an die Unlauterkeit der Registrierung, bzw. desto bessere rechtfertigende Gründe muss der Domain-Inhaber aufweisen.

Die Herausforderung bei alle dem liegt letztlich im Prozessrecht, der Zivilprozeßordnung (ZPO). Denn nicht immer wird der Anspruchsteller dem Domain-Inhaber nachweisen können, dass er im geschäftlichen Verkehr und unlauter tätig ist, etwa dadurch, dass die Domain eigentlich nur zum Verkauf erworben wurde. Dies ist aber Voraussetzung für ein positives Urteil.

Das gilt gerade für Grabbing-Fälle: Solange der Domain-Inhaber die Domain nicht dem Kennzeicheninhaber anbietet, kann der Nachweis des Grabbings nicht geführt werden; jedenfalls nicht ohne weiteres. Vernünftiger Weise tritt der Kennzeicheninhaber in einem solchen Falle zunächst an den Domain-Inhaber heran und bittet um Übertragung der Domains bei gleichzeitiger Erstattung der Registrierungsgebühren. Lehnt der Domain-Inhaber ein solches Angebot ab, ohne dies vernünftig begründen zu können, kann man (und wird ein Gericht) Grabbing vermuten.

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