Kürzlich fand der »CIIDRC 2024 UDRP Panelist Training & Workshop« in Vancouver (Kanada) statt, bei dem sich Domain-Anwalt und Panelist Gerald M. Levine in seinem Vortrag »Prevailing In Contested And Close Cases« mit heiklen UDRP-Fällen auseinandersetzte. Der Vortrag liegt nun verschriftlicht vor und wir haben ihn uns angeschaut.
Levine stellt sich in seinem Vortrag die Aufgabe, die Kriterien für das Obsiegen in strittigen und knappen UDRP-Fällen zu definieren und die Erwartungen an die Beweise zu skizzieren, die Markeninhaber benötigen, um ihre Rechte an strittigen Domains nachzuweisen. Sein Vortrag dreht sich um jene fünf Prozent UDRP-Verfahren, in denen die Beschwerdeführer verlieren. Ausgangspunkt ist, dass die UDRP ursprünglich nur für die relativ enge Klasse von Fällen »missbräuchlicher Registrierungen« gedacht war, die 1999, als die UDRP entwickelt wurde, als eindeutige Fälle von Cybersquatting interpretiert wurden. Dass die für »clear cut cases« gedachte einfache Regelung der UDRP aber Neuland betrat und bei der Prüfung von Domain-Streitigkeiten den Fachleuten nicht nur Schwierigkeiten machte, sondern sie zur kreativen Rechtsentwicklung aufforderte, zeigte sich bereits beim allerersten Verfahren: Der Fall World Wrestling Federation Entertainment Inc. gegen Michael Bosman um worldwrestlingfederation.com (WIPO Case No. D99-0001) forderte den Entscheider M. Scott Donahey bei der Frage heraus, wie der Begriff »use« im Zusammenhang mit einer bösgläubigen Nutzung der Domain zu verstehen ist. Ist das passive Halten einer Domain ein „nutzen“? Über einige weitere frühe Fälle, auf die Levine Bezug nimmt, entwickelt sich im Laufe der Jahre die Auslegung der UDRP, die sich in den WIPO-Overviews (2005, 20011 und 2017) widerspiegelt, die zugleich Orientierungspunkte für Panelisten, aber auch für die Parteien der Streitbeilegungsverfahren liefert. So kommt es, dass Beschwerdeführer sich nicht einfach an der UDRP orientieren können, sondern auch den aktuellen WIPO Overview 3.0 (auf den sie bei Beantragung einer Beschwerde verwiesen werden) zur Kenntnis nehmen müssen, um ein erfolgversprechendes Verfahren führen zu können.
Die Erfolgsquote bei den Verfahren hat sich über die Jahre deutlich entwickelt. Levine zieht die Statistiken seines Kollegen Doug Isenberg heran. Im Jahr 2000 wurden 14,11 Prozent der Verfahren abgewiesen, 2001 sogar 15,75 Prozent. Mittlerweile liegt die Quote bei rund fünf Prozent, wobei in diesem Jahr erst 2,47 Prozent Abweisungen vorliegen. Die Entwicklung beruhe darauf, dass immer weniger unklare und immer mehr eindeutige Fälle von Cybersquatting eingereicht würden. Die Parteien orientierten sich an der Rechtsentwicklung und -bildung der UDRP. Besonders Markeninhaber seien sensibler für die an sie gestellten Anforderungen geworden. Im Gegenzug hätten sich aber auch die Gegner entwickelt, die keine Stellung nehmen, wenn es keine Argumente gegen die Vorwürfe der Beschwerdeführer gäbe, oder sich professionelle Hilfe holen und mit dieser der Beschwerde erfolgreich entgegentreten. Levine zeichnet die entscheidenden Anforderungen an Beschwerdeführer auf, deren Nichtbeachtung ein UDRP-Verfahren scheitern lassen, und zieht jeweils eine maßgebende Entscheidung zur Veranschaulichung heran. Aber es kann nur bei einigen Beispielen bleiben, denn, so resümiert Levine, es gibt einfach zu viele Fragen, um eine vollständige Auflistung strittiger und knapper UDRP-Fälle geben zu können. Er liefert das Fazit: Je stärker eine Marke ist, die vor der Registrierung der Domain bekannt und auf dem Markt präsent ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Markeninhaber einen Anspruch hat. Umgekehrt gilt: Je verbreiteter die Marke und je geringer ihre Unterscheidungskraft auf dem Markt, gemessen an ihrem Alter und ihrer Bekanntheit, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Gegner eine stichhaltige Verteidigung aufbieten kann.
Der sehr lesenswerte Vortrag von Gerald M. Levine zeigt sehr schön, dass die UDRP ab 1999 nicht einfach da und alles klar war, sondern dass über die vergangenen 25 Jahre eine Entwicklung der Auslegung der Normen stattfand, die immer noch andauert. Wer ein UDRP-Verfahren führen oder einer Beschwerde entgegentreten will, kommt nicht umhin, sich mit dieser Entwicklung und deren aktuellem Stand vertraut zu machen, sonst kann es gehen wie im Streit um die Domain eagledata.com (WIPO Case No. D2024-3666), bei dem die Marke erst 15 Jahre nach Registrierung der Domain entstanden ist; ein klassischer Fehlversuch der Beschwerdeführerin, der in einem Reverse Domain Name Hijacking mündete.
Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.