UDRP

Inhaberwechsel stellt eine Neuregistrierung dar – zwei Kryptounternehmen erstreiten die Domain coinflex.com beim 2. Anlauf

Eine Krypto-Unternehmung scheiterte im Streit um die Domain coinflex.com, da der dahinterstehende Streit zu komplex war. Nachdem der damalige Gegner die Domain verkauft hat, startete das Krypto-Unternehmen einen zweiten Versuch – und war erfolgreich.

Die Liquidity Technologies Ltd. mit Sitz auf den Seychellen und die Liquidity Technologies Software Ltd. mit Sitz in Hongkong, eine 100-prozentige Tochter der ersteren, führten 2024 ein UDRP-Verfahren gegen Mark Lamb, Gründer der Unternehmen und Inhaber der Domain coinflex.com. Das UDRP-Verfahren vor der WIPO scheiterte damals, da es nach Ansicht des als Entscheider berufenen Rechtsanwalts und Politikwissenschaftlers Robert A. Badgley aus Chicago eine ziemlich verworrene Vorgeschichte gab: die Parteien kennen sich gut und waren bereits vor Einreichung der Beschwerde seit einiger Zeit in einen Rechtsstreit in Hongkong verwickelt. Deshalb beschränkte sich Badgley bei seiner Entscheidung auf diejenigen Tatsachen, die ausreichten, um zu begründen, dass dieser Streit vor einem Zivilgericht und nicht in einem UDRP-Verfahren beigelegt werden sollte. Er wies die Beschwerde ab. In der Folge verkaufte Mark Lamb zu einem nicht bekannten Zeitpunkt die Domain coinflex.com an Kirill Potekhin. Nachdem die Beschwerdeführer davon mitbekamen, starteten sie erneut ein UDRP-Verfahren vor der WIPO – diesmal gegen Kirill Potekhin.

Die Beschwerdeführer legten Screenshots vor, die zeigen, dass ihre Marke »COINFLEX« seit mindestens dem 11. Juni 2019 auch auf der Website der genannten Plattform und im zugehörigen Domain-Namen, um den die Parteien streiten, verwendet wurde. Die Domain wurde am 22. November 2018 registriert, vor dem 02. Juni 2025 an den Beschwerdegegner übertragen, blieb nach dem Erwerb inaktiv und wurde laut einem nachgereichten ergänzenden Vortrag der Beschwerdeführer am 18. September 2025 mit einer Website versehen. Die genannte Website trägt den Titel »CoinFLEX Creditors United« und fordert die Gläubiger der Beschwerdeführer auf, sich einer möglichen Klage anzuschließen. Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sie nicht eingetragene Markenrechte an der Marke »COINFLEX« innehaben, was durch die Verwendung dieser Marke auf der mit der Domain verbundenen Website zwischen Juni 2019 und März 2023 belegt werde. Die Beschwerdeführer behaupten, der Gegner habe zum Zeitpunkt der Übertragung der Domain höchstwahrscheinlich Kenntnis davon gehabt und es bestehe die Gefahr, dass die Domain für Phishing oder andere illegale Aktivitäten genutzt wird.

Der Gegner macht geltend, dass der Kauf der Domain von Mark Lamb im Rahmen eines rechtmäßigen Kaufvertrags ein berechtigtes Interesse und eine ordnungsgemäße Rechtsübertragungskette begründet und keinen Markenmissbrauch darstellt. Er weist darauf hin, dass der Erwerb von Domains mit gängigen Begriffen oder legitimen Firmennamen in gutem Glauben erfolgen kann, wenn keine Absicht besteht, die Marke des Beschwerdeführers auszunutzen. Er macht ferner geltend, dass sein passives Halten und die nicht irreführende Nutzung der Domain auf ein berechtigtes Interesse hindeuten oder jeden gegenteiligen Anscheinsbeweis widerlegen, und fügte hinzu, es sei anerkannt, dass Domain-Investoren oder Käufer, die Domains passiv halten, ein berechtigtes Interesse haben. Er kannte »CoinFLEX« als Unternehmen (und nicht nur als Marke der Beschwerdeführer) und habe die Domain als Teil des Vermögens oder Erbes dieses Unternehmens gekauft und nicht, um die Rechte der Beschwerdeführer auszunutzen.

Der als Panelist eingesetzte schottische Rechtsanwalt Andrew D. S. Lothian akzeptierte den ergänzenden Vortrag der Beschwerdeführer hinsichtlich der kurzfristig gestarteten Website unter der Domain. Den Gegner forderte er auf, zur Behauptung der Beschwerdeführer, dass der Gegner kein bekannter Gläubiger der Beschwerdeführer ist, Stellung zu nehmen und nachzuweisen, dass eine Verbindung zu den Beschwerdeführern besteht, sei es als Gläubiger oder anders. Weiter sollte er Stellung nehmen zur Behauptung der Beschwerdeführer, der Gegner betreibe Phishing, indem er (auf der mit der Domain coinflex.com verbundenen Website) den vollständigen Namen bestimmter angeblich interessierter Parteien, deren CoinFLEX-Konto-ID oder eine ihrer Einzahlungsadressen anfordert.

Lothian bestätigte nach einer ausführlichen Prüfung die Beschwerde und entschied auf Übertragung der Domain (WIPO Case No. D2025-3478). Zunächst bearbeitete er Vorfragen: Er ließ einerseits beide Beschwerdeführer zu, und er lehnte den vom Gegner vorgebrachten Einwand, es liege in der Sache bereits eine frühere Entscheidung vor, mit der Begründung ab, der vorliegende Fall betreffe nicht dieselben Parteien wie der zuvor entschiedene UDRP-Fall (WIPO-Case No. D2024-0456). In der Sache kam Lothian zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdeführer einen Anscheinsbeweis dargelegt haben, wonach der Gegner keine Rechte oder berechtigten Interessen an der Domain hat. Der Gegner stütze sich auf eine legitime Rechtsübertragungskette, über die er Inhaber der Domain wurde: die frühere UDRP-Entscheidung habe gezeigt, dass der vorhergehende Registrant Mark Lamb berechtigter Inhaber war. Für Lothian lag allerdings ein Missverständnis des Gegners vor: Selbst wenn der frühere Registrant Rechte gehabt hätte, stelle die Übertragung der Domain an einen Dritten eine Neuregistrierung dar. Er könne sich deshalb nicht auf Rechte oder ein berechtigtes Interesse über eine legitime Rechtsübertragungskette berufen. Hingegen sprach für Lothian die Tatsache Bände, dass der Gegner – entgegen der Anordnung – nicht auf die Phishing-Behauptung und die weiteren Punkte eingegangen war. Über das Schweigen des Gegners zu diesen Fragen folgerte Lothian, dass die offensichtliche Kritik auf der mit der Domain verbundenen Website höchstwahrscheinlich nur ein Vorwand ist. Zudem habe der Gegner keine Rechte und berechtigten Interessen vom früheren Registranten übernommen. In jedem Fall bringe die exakte Übereinstimmung zwischen Domain und nicht eingetragener Marke der Beschwerdeführer einen hohen Grad der Zugehörigkeit beider mit sich. Dies berge ein unzulässiges Risiko der Verwechslung durch Identitätsbetrug für die Nutzer.

So kam Lothian zu dem Schluss, dass der Gegner den Anscheinsbeweis der Beschwerdeführer nicht widerlegt habe. Es blieb nun noch die Prüfung der Bösgläubigkeit auf Seiten des Gegners. Hier orientierte sich Lothian am im WHOIS eingetragenen letzten Änderungsdatum für die Domain, dem 18. Februar 2025, da der Gegner selbst keine Angaben zum Kaufdatum gemacht hatte. Zu dem Zeitpunkt waren die Rechte der Beschwerdeführer an der nicht eingetragenen Marke »COINFLEX« fest etabliert, und der Gegner wusste dies. Die Beweise zeigten, dass der Gegner die Absicht hatte, diese Marke in unlauterer Weise zu nutzen, entweder zu Phishing-Zwecken unter dem Deckmantel nichtkommerzieller Kritik oder indem er sich durch die Verwendung einer exakten Übereinstimmung der Marke als Beschwerdeführer ausgab, um nichtkommerzielle Kritik zu üben und Werbung für eine bevorstehende Klage zu machen. Lothian ist überzeugt, dass dies unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles keine Registrierung und Nutzung der streitigen Domain in gutem Glauben darstellen kann. Da der Gegner einen Antrag auf Feststellung von Reverse Domain Name Hijacking (RDNH) gestellt hatte, ging Lothian kurz auch darauf noch ein und verneinte unter Bezug auf seine vorangegangenen Feststellungen einen Fall von RDNH. Damit bestätigte er die Beschwerde und entschied auf den Transfer der Domain.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

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