UDRP

Kein normaler Streit um abnormal.ai

Die Inhaberin der Marke »ABNORMAL«, ein Sicherheitsunternehmen, scheiterte im Streit um die Domain abnormal.ai. Das Dreier-Panel bei The Forum brachte ungewöhnlicherweise die Endung .ai als Entscheidungskriterium mit ein.

Das US-amerikanische Sicherheitsunternehmen »Abnormal Security Corporation« sieht seine Rechte durch die Domain abnormal.ai verletzt und startete ein UDRP-Verfahren vor The Forum. Dem Gegner, der Domain-Investor Narendra Ghimire, wirft sie vor, dass die Domain ihren Marken »ABNORMAL« und »ABNORMAL SECURITY« zum Verwechseln ähnlich sieht, er unter der Domain nicht bekannt ist, er sie registriert hat, um an den Marken unberechtigt zu partizipieren und die Domain nicht ordentlich nutzt.

Der Gegner hält entgegen, es handele sich bei »abnormal« um einen allgemeinen Wörterbuchbegriff und der Beschwerdeführer sei nicht der ursprüngliche Inhaber der abgelaufenen Registrierung der Domain. Zum Zeitpunkt, als er die Domain legal ersteigert habe, sei ihm der Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen. Über die Sache entschied ein Dreier-Panel bestehend aus dem US-amerikanischen promovierten Juristen mit zusätzlichem Abschluss im Maschinenbau David S. Safran als Vorsitzendem sowie dem australischen Rechtsanwalt The Hon Neil Anthony Brown KC und dem amerikanischen Juristen Michael A. Albert als Beisitzer.

Die drei Entscheider kamen zu dem Schluss, dass die Behauptung, ein Dritter habe die Domain verloren, weil die Registrierung abgelaufen sei, unwidersprochen geblieben sei. Ebenso, dass der Begriff »abnormal« ein Gattungsbegriff sei, der Beschwerdegegner zum Zeitpunkt der Registrierung der Domain keine Kenntnis vom Beschwerdeführer gehabt habe, dass der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen habe, dass »abnormal« oder »abnormal.ai« zu einem unterscheidungskräftigen Kennzeichen der Domain geworden sei sowie dass die Ersteigerung einer Gattungsdomain für sich genommen kein Beweis für Bösgläubigkeit sei. Dies führte kurzerhand zur Abweisung der Beschwerde (Forum Claim Number: FA2405002099733).

Doch das alleine beschäftigte die Entscheider nicht. Schon bei der ersten Frage, der Ähnlichkeit oder Identität von Marken und Domain, wichen sie von der üblichen Prüfung ab. Die Endung einer Domain trete an dieser Stelle in den Hintergrund, weil sie eine technische Angabe darstelle. Aber diesmal gäbe es gute Gründe, die Top Level Domain nicht zu ignorieren, denn .ai habe eine Bedeutung und diese zu ignorieren, wäre unrealistisch. Die Endung stehe nicht nur für Anguilla, sondern werde auch als Abkürzung für AI (»artificial intelligence«) vermarktet. Es sei völlig klar, dass unter .ai registrierte Domains oft im Zusammenhang mit Aktivitäten, die mit »artificial intelligence« zu tun haben, verbunden sind. So auch in diesem Fall. Internetnutzer würden die Domain im Zusammenhang mit »artificial intelligence« und nicht mit dem Geschäftsfeld Sicherheit des Beschwerdeführers wahrnehmen. Im Hinblick darauf konnte das Panel auch keine Ähnlichkeit mit der Marke »ABNORMAL SECURITY« feststellen, nur mit der Marke »ABNORMAL«, was an dem Punkt ausreichte. Weil »abnormal« aber ein allgemeiner generischer Begriff ist und der Gegner die Domain als Domain-Investor anlässlich einer Auktion erstanden hat, sah das Panel den Gegner als berechtigten Domain-Inhaber an. Auch Bösgläubigkeit bei Registrierung und Nutzung der Domain vermochten die Entscheider nicht festzustellen.

Nachdem der Beschwerdeführer zwei Elemente der UDRP nicht hat erfüllen können, prüfte das Panel noch die Frage eines Reverse Domain Name Hijacking (RDNH). Ein solches stellte es aber nicht fest: Die Argumentation des Beschwerdeführers sei schwach, aber es sei für ihn nicht auszuschließen gewesen, dass er gewinnen könnte. Das Panel wies die Beschwerde ab und entschied, dass die Domain abnormal.ai beim Inhaber verbleibt.

Erfreulich ist, dass das Panel die zusätzliche Bedeutung der Endung .ai mit in die Beurteilung des Falles einbezogen hat. Dass Panel eine ccTLD mitberücksichtigen hat Tradition, etwa beim Streit um b.mw, ap.pl und tes.co. In diesen Fällen ging es nicht um die zusätzliche Bedeutung der Endung, sondern ihre Funktion als Markenbestandteil. Wir werden UDRP-Entscheidungen über .ai-Domains weiter im Blick behalten und die Entwicklung verfolgen.

Unsere Statistik für UDRP-Verfahren um .ai-Domains zeigt derzeit bei The Forum einen deutlichen Anstieg: Für das Jahr 2024 liegen mit 18 Verfahren bereits mehr vor als die 13 Verfahren, die im Jahr 2023 eingereicht wurden. Für WIPO haben wir in diesem Jahr bisher 60 Verfahren notiert, von denen 12 noch nicht entschieden sind, während es 2023 zu insgesamt 53 Verfahren kam. Damit liegen Anfang August 2024 auch bei WIPO bereits mehr Fälle vor als im gesamten Jahr 2023. Die Tendenz bei .ai ist also steigend, bei den Registrierungen, wie im Juli berichtet, aber auch bei den UDRP-Verfahren. Die Beschwerdeabweisungen sind aber bei beiden akkreditierten Streitbeilegungsstellen gering: wir kommen auf bisher jeweils 2 in 2024.

Auf das Domain-Recht spezialisierte Anwälte findet man auf Domain-Anwalt.de, einem Projekt der united-domains GmbH.

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