In einem aufsehenerregenden Urteil hat das OLG Hamburg entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Verwendung von rein beschreibenden Domain-Namen wettbewerbswidrig und damit unzulässig ist (OLG Hamburg: mitwohnzentrale.de – 3 U 58/98 – vom 13.07.1999).
Seit der Veröffentlichung der Entscheidung gehen Angst und Schrecken in der Internet-Branche um. Sind damit so gut wie alle beschreibenden Domain-Name wettbewerbswidrig? Naht das Ende von buch.de, flug.de, kostenlos.de, online-recht.de und billiger-telefonieren.de? Droht eine neue Abmahnwelle und Prozessflut? Mancherorts wird gar von einem heran ziehenden „Domain-Krieg“ gesprochen.
Ganz nebenbei würde dies auch das Ende des Domain-Brokerage in Deutschland bedeuten, da sich der Domain-Handel mittlerweile fast ausschließlich auf solche allgemein beschreibenden Domain-Namen konzentriert.
Um die gegenwärtige Diskussion zu versachlichen, möchten wir im Rahmen dieser Sonderausgabe noch einmal auf die Entscheidung des OLG Hamburg eingehen und konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis geben.
Was ist geschehen?
In der Entscheidung des OLG Hamburg ging es um die Frage der Zulässigkeit von allgemein beschreibenden Begriffen als Domain-Namen.
Die streitenden Parteien sind zwei Vereine, die gewerblich Wohnraum zur zeitlich begrenzten Nutzung vermitteln (sog. „Mitwohnzentralen“).
Der beklagte Verein bietet im Internet seine Dienstleistung unter der Domain mitwohnzentrale.de an. Hiergegen klagt der andere Verein.
Die Entscheidung des Gerichts:
Das Gericht hält die Verwendung des Domain-Namens „mitwohnzentrale.de“ ohne ergänzende Zusätze gem. § 1 UWG für wettbewerbswidrig und damit für unzulässig.
Die Argumentation des Gerichts:
Tritt ein Unternehmen unter einer Branchenbezeichnung im Web auf, so führt dies zu einer unzulässigen Verzerrung des Wettbewerbs. Aufgrund der Tatsache, dass es jeden Domain-Namen nur ein einziges Mal geben kann, liegt eine faktische Monopolisierung des Gattungsbegriffes vor.
Dies führt zu einer wettbewerbswidrigen Kanalisierung von Kundenströmen.
FAQ (häufige Fragen)
Die Entscheidung des OLG Hamburg wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Im Rahmen eines Frage-Antwort-Kataloges möchten wir versuchen, die häufigsten Fragen (FAQs) allgemein verständlich zu beantworten.
Frage 1: Was sind beschreibende Domain-Namen?
Ein Domain-Name ist immer dann rein beschreibend, wenn er hinsichtlich der auf der Website angebotenen Waren und Dienstleistungen keine Kennzeichnungskraft besitzt. Ein Beispiel ist etwa der Verkauf von Monitoren unter der Domain farbmonitore.de, monitor-shop.com oder bildschirme-online.at. Dagegen ist die Domain internet.de für den Verkauf eines Sonnenschutzmittels mit dem Namen „Internet“ nicht be- schreibend. Denn der Begriff „internet“ besitzt hinsichtlich eines Sonnenschutzmittels Unterscheidungskraft. Es ist also jeweils auf die unter dem Domain-Namen konkret angebotene Ware bzw. Dienstleitung abzustellen.
Frage 2: Wie war die bisherige Rechtslage?
Nach der bisherigen Rechtslage war die Verwendung beschreibender Domain-Namen grundsätzlich zulässig. Vgl. etwa LG München 1997 „sat-shop.com“ oder OLG Frankfurt a.M. 1997 „wirtschaft-online.de“.
Frage 3: Ist die Argumentation des Gerichts schlüssig?
Nein! Unsere Ansicht nacht steht die Argumentation des Gerichts auf wackeligen Beinen. Das Gericht spricht von einer „Monopolisierung eines Gattungsbegriffs“. Aber durch die bloße Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domain wird niemand daran gehindert den Begriff „Mitwohnzentrale“, „Buch“ oder „Reise“ weiter zu verwenden! Man kann sogar denselben Begriff unter einer anderen Top-Level-Domain selbst registrieren. Anders als bei der Anmeldung einer Marke beim Patentamt erwirbt man durch das bloße Registrieren einer Domain eben gerade keine Schutzrechte hinsichtlich der Verwendung des Begriffs durch Dritte.
Des weiteren spricht das Gericht von einem „unzulässigen Wettbewerbsvorteil“ durch „Kanalisierung von Kundenströmen“. Naja, wenn ich in der realen Welt meinen Schuhladen nicht in Hintertupfingen eröffne, sondern in München in der Leopoldstraße, erreiche ich durch diese „gute“ Adresse natürlich auch einen Wettbewerbsvorteil. Da in der Leopold-straße mehr Leute „zufällig“ an meinen Laden vorbeikommen werden, führt dies auch zu einer Kanalisierung von Kundenströmen… Und keine Richter würde wohl jemals auf die Idee kommen, meinen Schuhladen in der Leopoldstraße für wettbewerbswidrig zu erklären!
Dieser simple Vergleich zeigt, dass die Argumentation des Gerichts nicht nachvollziehbar ist.
Frage 4: Wird die Entscheidung Bestand haben?
Die wohl spannendste Frage ist, ob sich die Rechtsauffassung des OLG Hamburg durchsetzen wird. Es wurde Revision zum BGH eingelegt. Der BGH hat die Entscheidung mitterweile zur Revision zugelassen. Es spricht einiges dafür, dass der BGH die Entscheidung des OLG Hamburg aufheben wird. Damit wäre dann endlich für Rechtssicherheit gesorgt. Mit einer Entscheidung in der Sache ist jedoch nicht vor 2001 zu rechnen.
Frage 5: Was passiert, wenn der BGH die Entscheidung bestätigt?
Sollte der BGH die Entscheidung des OLG Hamburg wider erwarten bestätigen, dann heißt es wohl tatsächlich „Land unter“ für die deutsche Internet-Branche. Unternehmen wie buch.de, kostenlos.de oder billiger-telefonieren.de wären dann gezwungen, Ihre Domain mit einem unterscheidungskräftigen Zusatz zu versehen. Millionen von Mark für das Marketing der Internet-Adresse wären dann in den Sand gesetzt…
Frage 6: Droht tatsächlich eine neue Abmahn- und Prozeßwelle?
Solange die Rechtslage nicht eindeutig ist, werden wieder mal einige Anwälte bzw. deren Mandanten versuchen, die bestehende Rechtsunsicherheit ausnutzen und die Inhaber von beschreibenden Domains mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen „beglücken“. Falls der BGH die Entscheidung aufhebt, dürfte endlich wieder Rechtssicherheit herrschen. Bestätigt der BGH jedoch die Entscheidung, so ist tatsächlich von einer neuen Prozeßwelle auszugehen. Insbesondere, weil in zahlreichen Fällen streitig sein dürfte, ob einer Domain Kennzeichnungskraft zukommt oder nicht, z.B. computerplus.de für den Verkauf von Computern. Beschreibend oder nicht?
Frage 7: Ich bin Inhaber einer beschreibenden Domain. Was soll ich jetzt tun?
Erst einmal abwarten. Warten auf die weitere Entwicklung der Rechtsprechung. Es bleibt zu hoffen, dass der BGH die Entscheidung bald aufheben wir, und somit dem Spuk ein Ende bereitet. Für den Fall der Fälle sollten professionelle Internet-Unternehmer sich aber schon jetzt ernsthaft Gedanken über eine neue, unterscheidungskräftige Domain machen. Diese hätte nebenbei auch den Vorteil, dass dieser Domain-Namen dann als Marke beim Patent- und Markenamt geschützt werden könnte.
Frage 8: Ich habe aufgrund der neuen Rechtslage eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung von einem Mitbewerber erhalten. Was soll ich tun?
Wenn Sie eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhalten, sollten Sie umgehend (Fristen!) einen auf Online-Recht spezialisierten Rechtsanwalt konsultieren, um mit ihm die weitere Strategie zu besprechen.
Frage 9: Ich verdiene meine Geld mit dem Handel von Domain-Namen. Was bedeutet die Entscheidung für mich?
Schon bisher war der Handel mit Domain-Namen aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit ein eher mühseliges Geschäft. Seit etwa ein, zwei Jahren herrschte unter den Juristen jedoch weitgehend Einigkeit, dass zumindest der Handel mit rein beschreibenden Domains rechtlich nicht zu bestanden ist. Durch die Entscheidung des OLG Hamburg dürfe es wohl zu einem erheblichen Preisverfall für beschreibende Domain-Namen kommen. Wer wird schon zehntausende Mark in die Domain t-shirts.de investieren, wenn er damit rechnen muss, dass er, sobald sein „T-Shirt-eCommerce-Projekt“ an den Start geht, von seiner Konkurrenz erfolgreich verklagt wird. Auch für die zur Zeit wie Pilze aus dem Boden schießenden Domain-Börsen brechen wohl harte Zeiten an…
Frage 10: Ich habe weitere Fragen. An wen kann ich mich wenden?
Für Fragen steht Ihnen das Team von domain-recht.de unter info@domain-recht.de zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass uns das Rechtsberatungsgesetz eine Rechtsberatung im Einzelfall untersagt. Bei rechtlichen Fragen, die den Einzelfall betreffen, wenden Sie sich deshalb bitte ein einen auf Domain-Recht spezialisierten Anwalt (www.domain-anwalt.de).