UDRP

Gerald M. Levine geht in einem umfangreichen Essay die Anforderungen an ein erfolgreiches Beschwerdeverfahren durch

In einer aktuellen Artikelserie geht Gerald M. Levine wieder einmal die Grenzbereiche bei Entscheidungen von UDRP-Verfahren durch. Bisher sind zwei von drei Teilen des Essay erschienen.

Domain-Anwalt und UDRP-Panelist Gerald M. Levine stellt sich wieder einmal die Frage nach den Grenzen zwischen den 95 Prozent klarer Cybersquatting-Fälle bei UDRP-Verfahren und den 5 Prozent, bei denen Beschwerdeführer scheitern. Im ersten Teil des Essay mit dem Titel »Unsorting the Clear from the Unclear« legt er den Schwerpunkt auf die 95 Prozent, bei denen die Beschwerdeführer erfolgreich gegen missbräuchliche Domain-Registrierungen vorgehen. Für diese klaren Fälle ist die UDRP konzipiert. Der Beschwerdeführer trägt die Beweislast nachzuweisen, dass er Inhaber eines Markenzeichens (eingetragen oder nicht eingetragen) ist, der Gegner keine Rechte oder legitimen Interessen an der Domain hat und er zudem die Domain in bösem Glauben registriert hat und nutzt. Die Erfolgsquote bei 95 Prozent der Fälle ist deshalb so gut, weil in diesen Fällen die Domain-Inhaber aus guten Gründen selten antreten, weil ihre Registrierungen nicht verteidigbar sind. Die 5 Prozent anderer Verfahren sind aber diejenigen, an denen sich die Rechtsprechung entwickelt. Im Weiteren gibt Levine einige praktische Beispiele, an welchen Stellen es bei den vermeintlich klaren Fällen hapert und sie sich in die Gruppe der 5 Prozent verlagern. Hier kann insbesondere das mittlere Element der UDRP zum Drehpunkt werden: Legt der Beschwerdeführer einen Anscheinsbeweis dafür vor, dass der Gegner keine Rechte oder berechtigten Interessen an der streitbefangenen Domain hat, so obliegt es dem Gegner nachzuweisen, dass er ein solches Recht oder Interesse hat. Gelingt es dem Beschwerdeführer jedoch nicht, den Anscheinsbeweis zu erbringen oder kann der Gegner ihn erfolgreich widerlegen, muss die Beschwerde zurückgewiesen werden. Mit ordentlichem Vorbringen des Gegners an diesem Punkt kann er zugleich das dritte Element der UDRP, die Bösgläubigkeit seines Handelns, aushebeln. Die Anforderungen an eine glaubhafte und glaubwürdige Beweisführung sind damit im Grunde gleichmäßig verteilt. Ergeben sich beim Entscheider Zweifel am Vortrag des Beschwerdeführers, so entscheidet er zugunsten des Gegners. Das weitere Problem auf beiden Seiten liegt für Levine in den Leitlinien der Streitbeilegungsordnung, die den Parteien bei der Formulierung ihres Vorbringens helfen soll, aber sich dabei recht bescheiden ausnimmt. Sie setzt mehr Praxiswissen voraus, als eine nicht von einem Fachmann vertretene Partei wissen kann. Das Fachwissen ergibt sich insbesondere durch Kenntnis der Rechtsentwicklung und Rechtsprechung in UDRP-Verfahren und des WIPO Overview 3.0.

Teil 2 seines Essay trägt den Titel »Demands and Expectation«. Levine geht darin auf »Forderungen und Erwartungen« im UDRP-Verfahren ein, die der Entscheider an die Parteien stellt. Er erwartet zweierlei Art von Beweisen: direkte in Form von Dokumenten, Erklärungen oder eidesstattlichen Versicherungen von Personen mit persönlicher Kenntnis der Fakten, oder Schlussfolgerungen aus indirekten Beweisen, etwa wenn der Domain-Inhaber seinen Sitz dort hat, wo die vermeintlich bekannte Marke des Beschwerdeführers unbekannt ist, oder eine zum Zeitpunkt des Verfahrens bekannte Marke zum Zeitpunkt der Domain-Registrierung noch unbekannt war. Beschwerdeführer scheitern in 5 Prozent der Fälle, wenn sie keine überzeugenden oder glaubwürdigen Beweise vorlegen können oder wenn ihre Argumente derart schwach sind, dass schon das Beharren auf ihren Rechten zeigt, dass sie diese übertreten, und zwar unabhängig davon, ob der Gegner erscheint. Auch hier zeigt Levine anhand zahlreicher Beispiele, wo die Problempunkte der 5 Prozent-Verfahren liegen. Dabei zeigt sich, dass auch Rechtsprofis scheitern, weil sie die Reduziertheit des UDRP-Verfahrens nicht begreifen und auf Anforderungen in Zivilrechtsverfahren eingehen, die an dieser Stelle keine Bedeutung haben. Da das UDRP-Verfahren ein summarisches Verfahren ist, müssen alle Tatsachen samt Beweisen gleich auf den Tisch. Weiteren Vortrag, um Versäumtes nachzutragen, gibt es nur in einem besonderen Ausnahmefall: wenn der Gegner etwas vorbringt, womit nicht zu rechnen war. Das Scheitern von Beschwerdeführern liegt oft an ihren Behauptungen und nicht an Beweisen. So werden Beschwerden »nach bestem Wissen und Gewissen« eingereicht, was kein Beweis ist, oder es wird ein Katalog von Verstößen angeführt, die nicht durch Beweise belegt sind. Gegen Ende des 2. Teils des Essay listet Levine 12 typische Fehler mit Beispieldomains als Verweis auf die jeweiligen Verfahren, die in den Jahren 2024 und 2025 in der Gruppe der 5 Prozent-Fälle gemacht wurden. Dazu gehören der Bezug auf Marken, für die Ausschließlichkeit beansprucht wird, obwohl sie sich aus Wörtern aus dem kulturellen Fundus zusammensetzen, Beanspruchung nicht eingetragener Rechte, ohne den Nachweis der erlangten Unterscheidungskraft zu erbringen, Geltendmachung von Rechten, die erst nach Registrierung der Domain entstanden sind, usw.

Die Informationen, die Levine liefert, sind wie immer sehr eingängig und informativ. Für Juristen, die mit UDRP-Verfahren zu tun haben, sei die Lektüre dringlich empfohlen. Im dritten Teil seines Essay, der gerade erschienen ist, blickt Levine zurück. Er trägt den Titel »Part 3: How did a UDRP Jurisprudence come to be built?«.

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