Seit 22 Jahren sorgt die Uniform Domain-Name Dispute-Resolution Policy (UDRP) für den Schutz von Marken und ihren Inhabern in der Welt der Internet-Domains. Aber sie schützt auch Domain-Inhaber vor Missbrauch des UDRP-Verfahrens. Domain-Anwalt Zak Muscovitch verzeichnete nun die 500. Reverse Domain Name Hijacking-Entscheidung.
Innerhalb der 22 Jahre, die Domain-Streitigkeiten mit der UDRP geklärt werden können, sind über 80.000 Fälle zugunsten des beschwerdeführenden Markeninhabers entschieden worden, dem in der Folge die Markenrechte verletzende Domain übertragen wurde. Nur 500 Entscheidungen in diesen 22 Jahren erzielten ein positives Reverse Domain Name Hijacking (RDNH). Das bedeutet, das entscheidende Panel bestätigte, der Beschwerdeführer nutzt die UDRP rechtsmissbräuchlich, um an eine Domain zu gelangen, an die er anders nicht herankam. Das RDNH findet in Rule 15 der UDRP Erwähnung, wo es heißt:
If after considering the submissions the Panel finds that the complaint was brought in bad faith, for example in an attempt at Reverse Domain Name Hijacking or was brought primarily to harass the domain-name holder, the Panel shall declare in its decision that the complaint was brought in bad faith and constitutes an abuse of the administrative proceeding.
Viel Substanz hat das nicht, weshalb sich die RDNH-Rechtsprechung nur zögerlich entwickelte.
Zak Muscovitch, Domain-Anwalt und Syndikus der Internet Commerce Association (ICA), geht anlässlich dieser 500. Entscheidung die Geschichte und Entwicklung der RDNH-Entscheidungen in einem Artikel auf circleid.com durch. Die Anfänge finden sich in der Entscheidung »Dog.com, Inc. vs. Pets.com, Inc.« vom 31. März 2000, also bereits kurz nach Einführung der UDRP im November 1999. Der Beschwerdeführer verlor das Verfahren, das Panel lehnte allerdings eine RDNH-Entscheidung – ohne dies zu begründen – mit den Worten
»9. The Arbitrators decline to make a finding of bad faith or reverse domain name hijacking against the Complainant«
ab. RDNH wurde in einigen UDRP-Verfahren erwogen, ehe in der Entscheidung Qtrade Canada Inc. vs. Bank of Hydrov (eResolution Case No. AF-0169) um Qtrade.com vom 19. Juni 2000 ein Panel erstmals einen Fall von RDNH feststellte. Von da an kam die Sache langsam in Schwung, aber wurde von UDRP-Panels noch lange vermieden. Immer noch kommt es zu Fällen wie der aktuelle Streit um hdt.com (WIPO Case No. D2022-0998), bei denen der Beschwerdeführer weder existierte noch Markeninhaber war, als der Domain-Inhaber zur Domain kam, bei denen, gegen ausdrücklichem Antrag des Verfahrensgegners, das Panel nicht einmal auf RDNH eingeht.
Muscovitch geht in seinem Artikel anhand von Beispielsfällen die verschiedenen Standards der RDNH-Feststellung durch, die sich im Laufe der Jahre herausgebildet haben. Er kommt zu dem Schluss, dass auch wenn RDNH-Entscheidungen die Ausnahme bilden, eine Reduzierung oder Abschaffung des RDNH allen Beteiligten zu Gute kommen würde. Kein legitimer Beteiligter habe ein Interesse daran, die UDRP zu missbrauchen. Da die Beschwerdegegner keinen greifbaren Nutzen aus einer RDNH-Feststellung ziehen und missbräuchliche Beschwerden in der UDRP nichts zu suchen haben, schlägt Muscovitch als mögliches Ziel vor, derartige Fälle gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sich nicht gegen missbräuchliche Beschwerden verteidigen zu müssen, wäre für Gegner ein weitaus besseres Ergebnis als die zahnlose Anerkennung, dass die gegen sie eingereichte Beschwerde missbräuchlich war. Die oft vorgeschlagene Geldstrafe für den Beschwerdeführer werde kaum eine abschreckende Wirkung erzielen und wäre ein schwacher Trost für den Ärger, den Aufwand und die Kosten, die der Gegner für ein solches Verfahren zu tragen hat. Muscovitch plädiert letztlich für mehr Aufklärung und Warnungen zur Vermeidung von RDNH. Doch das ist seinerseits ein schwaches Argument, schaut man sich die Anzahl von Verfahren an, die mutwillig betrieben werden, ohne jede Chance erfolgreich zu sein.