Mit den Tücken der Abrechnung eines vorzeitig gekündigten »Internet-System-Vertrags« musste sich das Landgericht Düsseldorf beschäftigen. Anders als das Amtsgericht erkannte das Landgericht dabei auf Beweiserleichterungen für den Anbieter derartiger Verträge.
Die Parteien sind durch einen »Internet-System-Vertrag« vom 03. Juli 2014 mit einer Laufzeit von 48 Monaten verbunden. Demnach hatte sich die Klägerin verpflichtet, gegen eine Zahlung von EUR 200,– netto monatlich und einer einmaligen Anschlussgebühr von weiteren EUR 199,– netto monatlich für die Beklagte einen Domain-Service, eine Vor-Ort-Beratung, die Gestaltung einer individuellen Internetpräsenz und ein fortlaufendes Web-Hosting zu erbringen. Mit Schreiben vom 08. Juli 2014 erklärte die Beklagte, den Internet-System-Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen zu wollen. Eine Begründung für die Kündigung wurde nicht angegeben; die Beklagte hatte allerdings behauptet, ihr sei bei Vertragsschluss zugesichert worden, dass sie jederzeit aus dem Vertrag aussteigen könne. Die Klägerin verlangte daraufhin die so genannte »Kündigungsvergütung« gemäß § 649 S. 2 BGB. Da sich die Parteien nicht einig wurden, zog die Klägerin vor das Amtsgericht Düsseldorf. Dieses entschied mit Urteil vom 03. November 2015 (Az. 11 C 43/15), dass für den sich aus dem Gesetz ergebenden 5 Prozent der vereinbarten Vergütung übersteigenden Teil der Anbieter des Internet-System-Vertrags die Darlegungs- und Beweislast trägt. Der Anbieter des Internet-System-Vertrags habe insbesondere Beweis dafür anzubieten, dass festangestellte Mitarbeiter trotz einer bereits vor Erstellung der Website erfolgten Kündigung nicht in der Lage waren, die ersparte Arbeitskraft für andere Aufträge zu verwenden. In diesem Zusammenhang bedürfe es des Vortrags dazu, in wie vielen Fällen es zu frühzeitigen Kündigungen kommt, wenn es naheliegend erscheint, dass die Personalplanung hierauf ausgerichtet ist. Dieser Beweis gelang der Klägerin nicht, weshalb das Amtsgericht Düsseldorf die Klage abwies. Dies ließ die Klägerin nicht auf sich sitzen und zog in Berufung vor das Landgericht Düsseldorf.
Das Landgericht Düsseldorf folgte der Ansicht des Amtsgerichts nicht und verurteilte die Beklagte, EUR 4.000,– nebst Zinsen an die Klägerin zu bezahlen (Urteil vom 03.06.2016, Az.: 22 S 469/15). Zunächst stellte das Landgericht klar, dass ein Internet-System-Vertrag, welcher die Gewährleistung der Abrufbarkeit einer individuell erstellten Internetseite für den Kunden während der Vertragslaufzeit zum Gegenstand hat, als Werkvertrag gemäß § 631 Abs. 1 BGB einzuordnen ist. Eine sofortige, voraussetzungslose Kündigung sei nach § 649 S. 1 BGB als freie Kündigung möglich. Welche Anforderungen an die Abrechnung des gekündigten Werkvertrags zu stellen sind, hängt sodann vom Vertrag sowie den dem Abschluss und seiner Abwicklung zu Grunde liegenden Umständen ab. Anders als das Amtsgericht ist das Landgericht nicht der Ansicht, dass sich nach Einführung von § 649 Satz 3 BGB die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast geändert habe. Im konkreten Fall hielt es das Landgericht für ausreichend, wenn der Web-Hoster den kalkulierten Ablauf des Vertragsverhältnisses mit dem Kunden skizziert und die voraussichtlich ersparten Aufwendungen, nämlich Fahrtkosten für den Medienberater, Porto, Registrierungskosten und Kosten für Büromaterial, ersparte Hosting-Kosten sowie den ersparten Einsatz freier Mitarbeiter darlegt. Der Web-Hoster muss demgegenüber nicht darlegen, welche Mitarbeiter zu welchen Kostensätzen welche Arbeitsschritte hätten erbringen müssen und welche Gemeinkosten und andere Kostenpositionen hierbei zu veranschlagen gewesen wären. Nach diesen Grundsätzen sei die Abrechnung der Klägerin nicht zu beanstanden. Konkrete Rügen gegen einzelne Aufwandpositionen (zum Beispiel Fahrtkosten, Porto, Materialkosten, Webhosting etc.) hätte die Beklagte nicht vorgebracht. Daher hob das Landgericht das erstinstanzliche Urteil auf und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung.
Die Entscheidung lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Aspekt, der häufig zu kurz gerät: eine Partei sollte im Prozess Vortrag der Gegenseite nicht lediglich bestreiten, sondern prüfen, ob und in welchem Umfang es ihr möglich ist, substantiierte Einwendungen zu erheben. Die Beklagte hatte sich in der Berufungsinstanz darauf beschränkt, zu bestreiten, dass der Klägerin für den Internet-System-Vertrag irgendwelche nennenswerten Aufwendungen entstanden sind oder dieser ein Gewinn entgangen sei. Möglicherweise wäre es sinnvoll gewesen, sich Verträge anderer Anbieter einzuholen und Vergleichswerte zu ermitteln; dies hätte die prozessualen Hürden für die Klägerin erhöhen können und so unter Umständen ein anderes Ergebnis gebracht.