Newsletter-Ausgabe #486: Oktober 2009

Themen: Spektakuläre Wende in der .de-Vergabepraxis! | vw.de – der Auslöser vor dem OLG Frankfurt | vw.de – die Entscheidung vor dem BGH | vw.de – Folgen für die Domain-Praxis | vw.de – wie bekomme ich eine dieser Domains?

Spektakuläre Wende in der .de-Vergabepraxis!

Lieber Leserinnen und Leser,

in der Vergabepraxis für .de-Domains bahnt sich eine spektakuläre Wende an: mit Wirkung ab 23. Oktober 2009 um 09.00 Uhr MESZ wird es erstmals möglich sein, unter .de ein- und zweistellige Domains sowie reine Zifferndomains zu registrieren. Ebenso werden erstmals auch .de-Domains, die einem Kfz-Kennzeichen oder einer anderen Top Level Domain wie com.de entsprechen, erhältlich sein. Bisher waren diese aufgrund ihrer Kürze begehrten Adressen auf Veranlassung der DENIC eG als zentraler Registrierungsstelle für die Top Level Domain .de gesperrt und somit der allgemeinen Registrierung entzogen.

Auslöser dieser Änderung ist ein Urteil des Oberlandesgericht Frankfurt, in dem die DENIC im April 2008 verurteilt wurde, die Domain vw.de zuzulassen; eine hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der DENIC vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe blieb nun erfolglos, so dass die Entscheidung aus Frankfurt rechtskräftig ist. Die DENIC hat daraufhin kurzfristig entschieden, ihre Domainrichtlinien mit Wirkung zum 23. Oktober 2009 zu ändern und die bisherigen Einschränkungen bei der Registrierung von Second Level Domains unterhalb von .de weitgehend abzuschaffen.

Erste Details der Verteilung der neuen Adressen sind bereits öffentlich, so dass wir nicht zögern wollten, Sie aktuell in einer Sonderausgabe des domain-recht.de Newsletters über diese Neuerungen zu informieren. Selbstverständlich werden wir auch in den kommenden regulären Ausgaben des Newsletters über aktuelle Entwicklungen berichten und Sie mit Informationen versorgen.

Ihr
Daniel Dingeldey
Florian Hitzelberger
Florian Huber

Team domain-recht.de

vw.de – der Auslöser vor dem OLG Frankfurt

Auslöser der aktuellen Änderungen ist ein Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgericht Frankfurt/Main (Urteil vom 29.04. 2008, Az.: 11 U 32/04 (Kart)). In diesem Verfahren war die DENIC eG verurteilt worden, der Volkswagen AG die Zwei-Zeichen-Domain vw.de zur Verfügung stellen, solange es keine Top Level Domain .vw gibt.

Die Volkswagen AG klagte gegen die DENIC eG, weil sie der Meinung war, sie erleide gegenüber Konkurrenten wie der BMW AG, die von ihren Kunden unter der Domain bmw.de erreicht werden kann, Wettbewerbsnachteile. DENIC sollte deshalb der Volkswagen AG die Domain vw.de zur Verfügung stellen. Die DENIC hielt dagegen an ihren Domain-Richtlinien fest und berief sich auf die RFC 1535 (Request for Comments), in der ein Fehler in der Software der Domain Name Server beschrieben wird, demnach es problematisch ist, wenn Zeichen, die einer Domain-Endung entsprechen, als Second Level Domain registriert werden, wie etwa bei com.edu, eu.de und ähnlichen. Nachdem das Landgericht in Frankfurt zunächst zu Gunsten der DENIC urteilte, ging die Volkswagen AG daraufhin in Berufung zum Oberlandesgericht in Frankfurt.

Dieses gab der Berufung statt; die Volkswagen AG hat demnach einen Anspruch auf den Domain-Namen vw.de, solange nicht eine Top Level Domain „.vw“ eingeführt wird. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts erleidet die Volkswagen AG einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz, wenn ihr dieser Domain-Name nicht zur Verfügung gestellt wird (§§ 20 Abs. 1, 33 Abs. 1 und 3 GWB). Aufgabe der DENIC sei es, den üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr via der von ihr verwalteten Domain-Endung .de allen zu öffnen. Dabei komme es nicht auf die Länge des Domain-Namens an, sondern darauf, dass die Zuteilung von Domains überhaupt erfolge. Indem sie der Volkswagen AG die Domain vw.de verweigere, liege eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu solchen Automobilunternehmen, deren Marke als Second Level Domain unter .de eingetragen wurde. Anders als das LG Frankfurt in erster Instanz kam das OLG Frankfurt bei der Abwägung der Interessen beider Parteien jedoch zu dem Ergebnis, das eine Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Der Nachteil, den die Klägerin dadurch erleidet, dass sie unter dieser Domain derzeit nicht aufzufinden ist, sei zwar nicht konkret zu ermessen; doch sei davon auszugehen, dass zumindest ein gewisser Anteil der Internet-Nutzer die Suche nach der Webseite der Volkswagen AG aufgeben, wenn sie nicht unter der zuerst angewählten Domain vw.de erreichbar ist. Dagegen hätten die Interessen von DENIC zurückzustehen: DENIC sieht die Gefahr, die von einer potentiellen Störung des Internetverkehrs ausgehen kann, sollte .vw als Domain-Endung eingeführt werden. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass grundsätzlich alle Prozessbeteiligten vom Bestehen dieser Gefahr ausgehen; ein Sachverständiger hat dies ausführlich begutachtet und vorgetragen; doch waren sich ebenfalls alle Parteien einig, dass eine konkrete Gefahr von der Domain vw.de nicht ausgehen werde, solange eine entsprechende Top Level Domain nicht eingeführt ist. Und die Befürchtungen von DENIC, in Folge des Urteils würden nicht nur Wettbewerber der Volkswagen AG, sondern Unternehmen aller Branchen und Privatpersonen sie hinsichtlich zweistelliger .de-Domains in Anspruch nehmen, reichte für das OLG Frankfurt nicht aus, um eine sachliche Ungleichbehandlung der Volkswagen AG gegenüber anderen Unternehmen und insbesondere Kraftfahrzeugherstellern zu rechtfertigen. Der DENIC billigte das Gericht zu, nur solche Second Level Domains vergeben zu müssen, die eine Störung vollkommen ausschließen.

Das OLG Frankfurt ließ die Revision gegen diese Entscheidung nicht zu. Die DENIC legte deshalb gegen die Nichtzulassung der Revision Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ein.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt finden Sie im Volltext unter:
> http://www.denic.de/fileadmin/Hintergrund/Recht/vw-OLG.pdf

Quelle: hessen.de, denic.de, eigene Recherche

vw.de – die Entscheidung vor dem BGH

Die Entscheidung des OLG Frankfurt in Sachen vw.de sollte zunächst nicht rechtskräftig werden: nachdem das Gericht eine Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe nicht zugelassen hatte, legte DENIC Nichtzulassungsbeschwerde ein. Diese blieb jedoch nunmehr erfolglos.

In seiner Entscheidung aus dem April 2008 hatte das OLG Frankfurt darauf erkannt, die Revision nicht zuzulassen. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch erforderte die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Zur Begründung verwies das OLG auf Rechtsgrundsätze aus einem Urteil vom 13.02.2007 (Az.: 11 U 24/06-Kart.) betreffend die Zifferndomain 11880.de, deren Eintragung die DENIC ebenfalls abgelehnt hatte, dort jedoch noch obsiegt hatte. Dort waren die Voraussetzungen einer Revisionszulassung gemäß Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 04.03.2008 (KZR 18/07) nicht gegeben. Die Entscheidung vw.de kam lediglich aufgrund der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze zu einem anderen Ergebnis, so dass die Voraussetzungen der Zulassung der Revision im Verfahren vw.de nach Ansicht des OLG Frankfurt ebenfalls nicht bestanden.

Die DENIC legte daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH ein. Obwohl die Einzelheiten des Beschlusses nicht bekannt sind, hat die DENIC nunmehr am 15. Oktober 2009 bekannt gegeben, dass der BGH die Beschwerde bereits durch Beschluss vom 29. September 2009 zurückgewiesen hat. Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist damit rechtskräftig und folglich die DENIC verpflichtet, den Second Level Domain Namen „vw“ unter der Top Level Domain .de zugunsten der Klägerin Volkswagen AG zu registrieren, solange nicht eine Top Level Domain mit der Buchstabenfolge .vw eingeführt wird.

Quelle: denic.de

vw.de – Folgen für die Domain-Praxis

Infolge der gerichtlichen Entscheidungen hat sich die DENIC eG dafür entschieden, ihre Vergabepraxis weitgehend zu liberalisieren: künftig ist es möglich, ein- und zweistellige Domains sowie reine Zifferndomains zu registrieren. Darüber hinaus gibt DENIC auch Domains, die einem Kfz-Kennzeichen oder einer anderen Top Level Domain entsprechen, für die Registrierung frei.

Wie die DENIC in einer Pressemitteilung am gestrigen Donnerstag bekanntgegeben hat, gelten für Domains unterhalb der Endung .de gelten ab dem 23. Oktober 2009 folgende Regeln:

– Auch ein- und zweistellige sowie reine Zifferndomains können jetzt registriert werden.

– Domains, die einem Kfz-Kennzeichen oder einer TLD entsprechen, sind frei gegeben.

– Erlaubte Zeichen für Domains sind die Ziffern 0 bis 9, der Bindestrich, die lateinischen Buchstaben a bis z und die weiteren Buchstaben aus der aktuell gültigen Anlage zu den Domainrichtlinien.

– Eine Domain darf mit einem Bindestrich weder beginnen, noch enden. Auch Bindestriche an dritter und vierter Stelle der Domain sind nicht zulässig.

– Die Mindestlänge einer Domain liegt bei einem Zeichen.

– Die Maximallänge einer Domain beträgt 63 Zeichen (bezogen auf den Domain-ACE) – jeweils exklusive .de.

Damit können erstmals in der Geschichte von .de Domain-Namen wie zum Beispiel 1.de, aa.de, sta.de oder net.de registriert werden. „Die jetzt geschaffenen Veränderungen reduzieren Restriktionen auf ein Minimum“, sagte DENIC- Vorstand Sabine Dolderer (CEO). Unverändert bleibt die Zulassung von internationalisierten Domain-Namen (IDNs), also zum Beispiel .de-Domains mit Umlauten; sie sind bereits seit dem Jahr 2004 erhältlich.

Ganz neu sind zumindest zweistellige Domain unter .de allerdings nicht: es existieren mit db.de, ix.de und hq.de noch Altbestände, die alle vor Inkrafttreten der DENIC-Richtlinien im Jahr 1997 registriert worden sind und daher Bestandsschutz geniessen. Die ebenfalls vormals vergebene bb.de ist dagegen seit einiger Zeit nicht mehr registriert.

vw.de – wie bekomme ich eine dieser Domains?

Wer sich für eine der neuen .de-Domains interessiert, muss sich sputen: bereits ab 23. Oktober 2009 um 09.00 Uhr (MESZ) ist die erstmalige Registrierung möglich. Besondere Verfahren zum Schutz von Kennzeichenrechteinhabern gibt es nicht.

Während es sonst üblich ist, bei der Neueinführung von Top Level Domains oder einer weitgehenden Liberalisierung der Vergabebedingungen eine Sunrise Period vorzuschalten, in der Inhaber von Kennzeichenrechten ihre Begriffe bevorrechtigt anmelden dürfen, hat sich die DENIC gegen ein solches Verfahren entschieden. Stattdessen gilt der Prioritätsgrundsatz „first come, first served“, der ein Höchstmaß an Chancengleichheit gewährleisten soll. Die eingehenden Aufträge werden dabei über eine eMail-Registrierungs-Schnittstelle verarbeitet; ein elektronischer Zeitstempel, der im Millisekundenbereich arbeitet, gilt als Nachweis über die Reihenfolge der Eingänge. Der erste eingegangene Auftrag zu einer Domain erhält damit auch die Registrierung, so dass Millisekunden entscheiden können; der reguläre Registrierungsbetrieb wird einstweilen ruhen. Wie DENIC weiter mitteilt, kann die Anzahl der erfolgreich registrierten Domains in Form eines Online-Monitorings auf der Website www.denic.de beobachtet werden.

Wer an einer oder mehreren dieser Domains interessiert ist, sollte sich also an einen Internet Service Provider wenden. Bereits in Kürze dürften zahlreiche Registrare daher damit werben, Vorbestellungen für die neuen Domains entgegenzunehmen. Da die Entscheidung der DENIC allerdings erst am 15. Oktober 2009 publik wurde, werden die überraschten Registrare wohl noch einige Tage benötigen, um die notwendigen technischen Vorbereitungen zu treffen; über Näheres werden wir Sie in der regulären Ausgabe des Newsletters informieren.

Doch Vorsicht: gerade mit der Registrierung kurzer und damit prägnanter Adressen geht das Risiko einher, Kennzeichenrechte Dritter zu verletzen! Finger weg also von Domains wie etwa o2.de oder hp.de, sofern man keine eigenen Rechte hat – sonst wird die Abmahnung bald folgen.

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Der Domain-Newsletter von domain-recht.de ist der deutschsprachige Newsletter rund um das Thema "Internet-Domains". Unser Redeaktionsteam informiert Sie regelmäßig donnerstags über Neuigkeiten aus den Bereichen Domain-Registrierung, Domain-Handel, Domain-Recht, Domain-Events und Internetpolitik.

Mit Bestellung des Domain-Recht Newsletter willigen Sie darin ein, dass wir Ihre Daten (Name und E-Mail-Adresse) zum Zweck des Newsletterversandes in unseren Account bei der Episerver GmbH, Wallstraße 16, 10179 Berlin übertragen. Rechtsgrundlage dieser Übermittlung ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, indem Sie am Ende jedes Domain-Recht Newsletters auf den entsprechenden Link unter "Newsletter abbestellen? Bitte einfach hier klicken:" klicken.

Top