Die Ausschreibung der EU-Kommission für einen europäischen rekursiven DNS-Resolver stößt auf geteiltes Echo: während CENTR (Council of European National Top Level Domain Registries) eine Bewerbung plant, rät Réseaux IP Européens Network Coordination Centre (RIPE) dringend davon ab.
Am 12. Januar 2022 hat die »European Health and Digital Executive Agency« (HaDEA) der EU-Kommission eine Ausschreibung veröffentlicht, in der sie im Rahmen des Projekts »DNS4EU« unter der Bezeichnung »Backbone networks for pan-European cloud federation« zur Abgabe von Angeboten für einen DNS-Resolver auffordert. Vereinfacht ausgedrückt, ist ein DNS-Resolver ein Softwaremodul, dass auf dem Rechner eines DNS-Teilnehmers installiert ist. Es hilft dem Internetnutzer dabei, Domains in numerische IP-Adressen aufzulösen. Ziel der EU-Kommission ist es, in einem Markt, der aktuell von nicht-europäischen Unternehmen dominiert wird, ein hohes Maß an Verlässlichkeit und Schutz gegen globale Cybersicherheitsbedrohungen (zum Beispiel Malware und Phishing) zu schaffen. Als Teil der europäischen Datenstrategie sieht sich die EU-Kommission verpflichtet, in »High Impact«-Projekte zu investieren; dazu gehöre auch ein eigener europäischer rekursiver DNS-Resolver. Von besonderer Bedeutung ist der Datenschutz, denn die über einen DNS-Resolver eingehenden Namensabfragen stellen eine starke Motivation für die Kommerzialisierung personenbezogener Daten dar.
An der Ausschreibung interessiert zeigt sich nun unter anderem CENTR. Der Verband europäischer Domain-Registries hat nach einem Bericht von heise.de ein Konsortium gebildet, um ein Angebot für den Aufbau und den Betrieb der Infrastruktur abzugeben. Zu den Mitgliedern von CENTR gehören unter anderen die .de-Verwalterin DENIC eG, die österreichische Nic.at und SWITCH aus der Schweiz. Auch einige Netzbetreiber sind laut heise.de interessiert. Doch es gibt auch kritische Stimmen.
Es gibt sehr viele Gründe, die Finger von der Ausschreibung zu lassen,
sagte etwa Hans Petter Holen, Geschäftsführer von RIPE, einer der fünf globalen Regional Internet Registries und zuständig für die Vergabe von IP-Adressen in Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien. Er stört sich daran, dass die Ausschreibung die Einführung von »URL filtering services« vorschreibt. Zwar erwähnt die Ausschreibung in erster Linie »parental control filtering services« für Eltern; der Schritt hin zur Filterung anderer illegaler oder auch nur unerwünschter Inhalte ist dann aber nicht weit. Patrik Fältström, CEO der schwedischen Netnod, befürchtet gar eine Fragmentierung des Internets, wenn Inhalte auf Basis von EU-Gesetzen und Gerichtsbeschlüssen der EU-Mitgliedsländer gefiltert werden.
Wer sich letztlich beworben hat, wissen wir frühestens am 22. März 2022, denn dann endet die Ausschreibungsfrist. Die Evaluierung der eingegangenen Angebote soll im Zeitraum April bis Juli 2022 stattfinden, um dann im August 2022 die Ergebnisse bekanntzugeben. Die Vertragsunterzeichnung ist dann für November 2022 angesetzt, so dass nach aktuellem Stand ein europäischer DNS-Resolver nicht vor 2023 zur Verfügung steht.