BVerwG

Netzsperrenanordnungen wegen Glücksspiels greifen nicht bei Anbietern ohne eigene Netzinfrastruktur

Telekommunikationsdienstleister ohne eigene Netzinfrastruktur können keine Adressaten glücksspielrechtlicher Sperrungsanordnungen für Internetseiten sein. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 19. März 2025 (Az. 8 C 3.24) entschieden und damit potentiellen DNS-Sperren Grenzen gesetzt.

Die Klägerin, bei der es sich laut heise.de um eine Gesellschaft aus dem United-Internet-Konzern handeln soll, ist Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen. Sie verfügt über keine eigene Netzinfrastruktur, sondern verkauft die von Telekommunikationsnetzbetreibern erbrachten Vorleistungen als sogenannter Reseller an ihre Endkunden. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 ordnete die Beklagte, die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder, gegenüber der Klägerin an, mehrere unter .com- und .de-Domains betriebene Internetseiten im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten zu sperren, so dass ein Zugriff über die von der Klägerin in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich ist. Gleiches sollte für künftig von der Beklagten mitzuteilende Internetseiten gelten, auf denen nach Art um Umfang wesentlich deckungsgleiche unerlaubte Glücksspielangebote (Mirror-Pages) vermittelt bzw. veranstaltet würden. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass auf den Internetseiten von Malta aus diverse Glücksspielangebote, unter anderem sog. »Slot-Games« sowie Lotteriewetten, auf unterschiedliche deutsche und internationale Lotterien vermittelt würden. Die Sperrungsanordnung finde ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021. Bei den auf den Internetseiten vorzufindenden Angeboten handele es sich um unerlaubtes Glücksspiel, da die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 erforderliche Erlaubnis nicht vorliege. Die Klägerin sei als Zugangsvermittlerin verantwortlicher Dienstanbieter im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021. Die Verantwortlichkeit richte sich nicht nach den §§ 8 bis 10 Telemediengesetz (TMG), sondern bestimme sich aus der Norm selbst. Hiernach bestehe die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters, wenn Maßnahmen gegen die Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebots wie hier nicht durchführbar oder erfolgsversprechend seien (sekundäre Verantwortlichkeit). Insbesondere der Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 1 TMG sei nicht einschlägig, da sich dieser allein auf die zivilrechtliche Inanspruchnahme beziehe. Der Klägerin stehe es im Übrigen frei, auf welche Weise sie die Sperrung der streitigen Internetseiten umsetze; vorzugswürdig sei jedoch eine DNS-Sperre, also die Blockierung der Adresse der zu sperrenden Internetseite.

Das Verwaltungsgericht Koblenz (Urteil vom 10.05.2023 – Az. VG 2 K 1026/22) hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz blieb die Beklagte ebenfalls erfolglos (Urteil vom 22.04.2024 – Az. OVG 6 A 10998/23), so dass sich nun das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache mit dem Streit befassen musste. Doch auch dort blieb der Beklagten der Erfolg versagt. Die Urteilsbegründung liegt zwar noch nicht vor. Ausweislich der Pressemitteilung kam das BVerwG in seinem Urteil vom 19. März 2025 (Az. BVerwG 8 C 3.24) aber zu dem Ergebnis, dass das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen habe, dass die einschlägige Ermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV auf die Verantwortlichkeit nach § 8 TMG verweist. Die zwischenzeitliche Aufhebung des Telemediengesetzes – das TMG ist seit dem 14. Mai 2024 nicht mehr in Kraft – ändere hieran nichts, da die Verweisung die bei Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags geltende Fassung des § 8 TMG in Bezug nimmt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV dürfen Sperranordnungen ausdrücklich nur gegen »im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes verantwortliche Diensteanbieter« gerichtet werden; für bloße Zugangsvermittler ist § 8 TMG einschlägig. Die Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaatsvertrags zeige, dass die Staatsvertragsparteien auf das im Telemediengesetz normierte System abgestufter Verantwortlichkeit verschiedener Arten von Diensteanbietern zurückgreifen wollten. Aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich nichts anderes, der Sinn und Zweck der Vorschrift würden keine Auslegung gegen den Wortlaut rechtfertigen. Die Klägerin ist daher nicht verantwortlich. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte, noch wählt sie diese oder deren Adressaten aus. Es liege auch kein kollusives Zusammenwirken zwischen ihr und den Betreibern der Internetseiten vor.

Andere Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass einer Sperranordnung stünden nach Ansicht des BVerwG wegen des speziellen und abschließenden Charakters des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV nicht zur Verfügung. Das gelte insbesondere für die allgemeinen ordnungsrechtlichen Befugnissen für die Inanspruchnahme von Nichtstörern gemäß § 13 i.V.m. § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt. Außerdem bestehe die einheitliche Zuständigkeit der Beklagten für alle Länder bei unerlaubtem öffentlichem Glücksspiel, welches im Internet in mehr als einem Land angeboten wird.

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