Die »Clearingstelle Urheberrecht im Internet« (CUII) hat beim Einsatz von DNS-Sperren einen Systemwechsel vollzogen: genügte bisher die Entscheidung der Clearingstelle selbst, sind Domain-Sperren künftig nur noch auf gerichtliche Anordnung hin zulässig.
Im Februar 2021 haben Anbieter von Internetzugangsdiensten mit Sitz in Deutschland, darunter 1&1, die Telekom Deutschland GmbH und die Vodafone Deutschland GmbH, gemeinsam mit Rechteinhabern wie dem Bundesverband Musikindustrie eV, der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, der Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG und der Motion Picture Association (MPA), die Clearingstelle Urheberrecht im Internet gegründet. Ihr Ziel ist es, »strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten« zu bekämpfen. Darunter versteht man Webseiten, deren Geschäftsmodell auf massenhafte Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet ist. Eine Sperre erfolgte bisher, wenn die außergerichtliche, nach eigenen Angaben unabhängige Clearingstelle unter Vorsitz eines pensionierten Richters des Bundesgerichtshofes das empfiehlt und die Bundesnetzagentur nach Maßgabe der EU-Netzneutralitätsverordnung keine Bedenken hat. Eine Sperrungsempfehlung durch die CUII konnte dabei nur bei Einstimmigkeit des dreiköpfigen Prüfausschusses erfolgen. Die Sperren unterlagen also keinem Richtervorbehalt; eine gerichtliche Überprüfung blieb aber nachträglich für alle Betroffenen möglich. Das Vorgehen der CUII traf auf vielfältige Kritik. Eine Liste der auf diese Weise gesperrten Domains wird nach Angaben der CUII auf deren Website veröffentlicht; ein Schüler, der sich selbst »Damian« nennt, hatte aber bereits 2024 aufgedeckt, dass die veröffentlichte Liste unvollständig ist und nicht regelmäßig gepflegt wird. Ein Drittel der Domains war zum Zeitpunkt seiner Recherchen zu Unrecht gesperrt, weil über die damit verbundene Website keine Urheberrechte verletzt wurden. Erst nachdem er über netzpolitik.org öffentlich Druck aufbaute, wurden zahlreiche Sperren aufgehoben.
Offenbar auf Druck der Bundesnetzagentur hat die CUII ihr Sperrverhalten nun grundlegend geändert. Im FAQ-Bereich der CUII-Website heißt es seit Kurzem:
Die Bundesnetzagentur hat der CUII mitgeteilt, dass sie sich in Zukunft auf Ihre Pflichtaufgaben fokussieren möchte.Hintergrund dieser Weiterentwicklung ist, dass die Bundesnetzagentur aufgrund zahlreicher neuer digitaler Aufgaben nicht mehr gewährleisten konnte, das bisherige schnelle und effektive Verfahren in der gewohnten Qualität fortzusetzen. Daher hat sie die CUII gebeten, die Überprüfung künftig gerichtlich vornehmen zu lassen.
Das bisherige CUII-System sei jedoch im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet erfolgreich gewesen sein. Es seien 25 Webseiten mit vielen hundert Domains gesperrt worden; diese Webseiten hätten gezielt Urheberrechte verletzt und in krimineller Weise urheberrechtlich geschützte Inhalte aus den Bereichen Film, Musik, Sport, Games, Bücher und Zeitschriften zugänglich gemacht. Ab sofort gilt: Entscheidet ein Gericht, dass eine strukturell urheberrechtsverletzende Webseite gesperrt werden muss, teilt die CUII-Geschäftsstelle dies allen CUII-Mitgliedern mit; sodann setzen die in der CUII organisierten Netzzugangsanbieter die DNS-Sperre um. Auch bei den gesperrten Domains soll es künftig mehr Transparenz geben. Die auf der CUII-Website veröffentlichte Liste erfasst ab sofort die strukturell urheberrechtsverletzenden Webseiten, für die bereits eine gerichtliche Sperranordnung erlassen wurde, mit dem jeweiligen Aktenzeichen der gerichtlichen Entscheidung. Aktuell sind 25 Entscheidungen gelistet, die letzte vom Januar 2025 betreffend »NOX«.
Dass öffentlich kaum Protest gegen die unberechtigten Blockaden erhoben wurde, dürfte an der Ineffektivität von DNS-Sperren liegen – die Cyberkriminellen waren längst auf Ersatz-Domains ausgewichen. Die als rechtswidrig beanstandeten Inhalte selbst waren von der DNS-Sperre ohnehin nicht betroffen. Einmal mehr gilt, was die vom eco – Verband der Internetwirtschaft eV ins Leben gerufene Initiative »topDNS« gefordert hat: illegale Online-Inhalte müssen nach dem Grundsatz »Löschen statt Sperren« von zuständigen Strafverfolgungsbehörden an der Quelle unschädlich gemacht werden. Domain-Abschaltungen sind hingegen kein wirksames Mittel im Kampf gegen illegale Internetinhalte, da diese nicht nachhaltig gelöscht werden.