Die »Clearingstelle Urheberrecht im Internet« (CUII) hat auf die Veröffentlichung der vollständigen Liste gesperrter Domain-Namen durch einen 17-jährigen Schüler reagiert: wie die Blogger von netzpolitik.org berichten, wurden inzwischen 39 Sperren aufgehoben.
Seit 2021 ist die CUII auf Betreiben von Internetzugangsprovidern und Rechteinhabern bemüht, »strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten« zu bekämpfen. Darunter versteht man Webseiten, deren Geschäftsmodell auf massenhafte Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet ist. Kampfmittel der Wahl sind dabei sogenannte DNS-Sperren. Dabei wird die Zuordnung zwischen dem in die Browserzeile eingegebenen Domain-Namen und der IP-Adresse auf dem DNS-Server des Access-Providers verhindert, so dass die Domain nicht mehr zur entsprechenden Internetseite führt; die Inhalte selbst bleiben unter der IP-Adresse aber weiterhin erreichbar. Eine Liste der auf diese Weise gesperrten Domains wird nach Angaben der CUII auf deren Website im Abschnitt »Empfehlungen« veröffentlicht. Allerdings handelt es sich dabei nur um einen Teil der Wahrheit, denn die »Empfehlungen« sind unvollständig. Ein 17-jähriger Schüler, der sich selbst »Damian« nennt und eine Leidenschaft für Informatik pflegt, hat deshalb Mitte 2024 eine vollständige Liste aller damals 275 gesperrten Domains im Netz veröffentlicht. Zur Begründung verwies er darauf, dass die CUII seiner Meinung nach eine Art privatwirtschaftlicher Paralleljustiz betreibe, weil eine vorherige gerichtliche Überprüfung der Sperre nicht erfolge. Zudem kritisierte »Damian« die Intransparenz, da die CUII geheim halte, welche Websites genau von ihren Sperren betroffen sind.
In der Folge hat »Damian« nachgelegt. Er hat die auf der Sperrliste enthaltenen Domains überprüft und kam dabei zu dem Ergebnis, dass ein Drittel zu Unrecht gesperrt sei, weil über die damit verbundene Website keine Urheberrechte verletzt würden. So enthielt die über die Domain burningseries.tw erreichbare Website seit mindestens dem 29. Juli 2023 als einzigen Seiteninhalt ein Banner mit dem Inhalt: »Buy this Domain«. Im Fall von newalbumreleases.unblockit.dev recherchierte er, dass die Website mindestens seit dem 08. Dezember 2022 nicht mehr genutzt wird, newalbumreleases.unblockit.onl mindestens seit dem 09. Februar 2023 nicht mehr. Nachdem netzpolititik.org am Morgen des 12. September 2024 hierüber berichtete, kam es prompt zu Reaktionen. »Damian« berichtet:
Drei von den vier Internetanbietern, die wir beobachten, haben heute morgen burningseries.tw entsperrt. Ob es da wohl ein bisschen Druck von der CUII gab?
Am Mittag des 13. September 2024 schrieb er weiter:
Die betreiben einige Aufarbeitung gerade, es wird eine Domain nach der anderen entsperrt.
Beziehe man Subdomains mit ein, seien zuletzt 122 Webseiten auf Empfehlung der CUII in Deutschland gesperrt gewesen. Auf 41 Websites hatte »Damian« keine urheberrechtswidrigen Inhalte gefunden; inzwischen sind nur noch zwei davon gesperrt. Oder anders ausgedrückt: seit der Veröffentlichung der vollständigen Sperrliste haben die Internetprovider 39 DNS-Sperren aufgehoben.
Dass öffentlich kaum Protest gegen die unberechtigten Blockaden erhoben wurde, dürfte an der Ineffektivität von DNS-Sperren liegen. Die Cyberkriminellen waren längst auf Ersatz-Domains ausgewichen, die als rechtswidrig beanstandeten Inhalte selbst waren von der DNS-Sperre ohnehin nicht betroffen. Einmal mehr gilt, was die vom eco – Verband der Internetwirtschaft eV ins Leben gerufene Initiative »topDNS« erst kürzlich gefordert hat: illegale Online-Inhalte müssen nach dem Grundsatz »Löschen statt Sperren« von zuständigen Strafverfolgungsbehörden an der Quelle unschädlich gemacht werden. Domain-Abschaltungen sind hingegen kein wirksames Mittel im Kampf gegen illegale Internetinhalte, da diese nicht nachhaltig gelöscht werden.