VG Frankfurt/M

Laut einem aktuellen Urteil kann die BaFin DNS-Sperren anordnen

Ein Internet Service Provider kann auf Verlangen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verpflichtet sein, eine DNS-Sperre einzurichten, wenn ein Unternehmen ohne Erlaubnis Finanzdienstleistungen erbringt. Das hat das VG Frankfurt/Main (Urteil vom 23.10.2024 – Az. 7 K 800/22.F) entschieden.

Die Klägerin gehört zu den größten Internetdiensteanbietern weltweit. Die Beigeladene, die in den Niederlanden ansässige Future Traders Corporation Ltd., betreibt im Internet unter future-traders.com eine ausschließlich deutschsprachige Website, über die sie Kunden die Vermittlung von Aktien und Anleihen andient. Mit Bescheid vom 25. März 2021 untersagte die beklagte BaFin der Beigeladenen gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG, das Depotgeschäft zu betreiben und die Anlagevermittlung- und -beratung zu erbringen, da sie nicht über die nach § 32 Abs. 1 KWG erforderliche Erlaubnis verfüge. Darüber hinaus wies sie die Beigeladene an, jegliche Werbung für ihre Geschäftstätigkeit, insbesondere über die Website, die sich an Personen mit Sitz oder regelmäßigem Aufenthalt in der Bundesrepublik richtet, einzustellen bzw. zu unterlassen. Bei den Ermittlungen der BaFin war bekannt geworden, dass die Beigeladene die Internetpräsenz eines anderen Marktteilnehmers unberechtigt kopiert und die gefälschte Seite europaischeakademiefurfinanzfragen.de für einen eigenen Marktauftritt verwendet hatte. Darüber hinaus hatte die Beigeladene ein Anhörungsschreiben der BaFin verfälscht, um eine Zahlungsaufforderung an ihre Kunden zu legitimieren. Die Beigeladene kam den Weisungen der BaFin nicht nach, der Bescheid vom 25. März 2021 ist bestandskräftig. Mit Bescheid vom 20. August 2021 wies die BaFin die Klägerin an, eine DNS-Sperre für die .com-Domain der Beigeladenen einzurichten. Zudem gab sie der Klägerin auf, ihre Kunden bei Eingabe der Domain auf eine Untersagungsverfügung gegen die Beigeladene weiterzuleiten, die die BaFin auf ihrer Website veröffentlicht hatte. Die Klägerin sei in die unerlaubten Geschäfte der Beigeladenen durch die Erbringung der von ihr angebotenen Dienstleistungen als Internet-Provider einbezogen im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 4 KWG. Die Weisung diene dazu, die Fortsetzung der unerlaubten Geschäfte der Beigeladenen zu unterbinden bzw. jedenfalls zu erschweren und Abrufinteressenten über den Verstoß gegen das Kreditwesengesetz zu informieren. Gleichlautende Bescheide erließ die BaFin gegenüber mehreren weiteren Internet-Providern mit Sitz in der Bundesrepublik.

Die Klägerin hat daraufhin am 18. März 2022 Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheids vom 20. August 2021 verlangt. § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG sei keine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung einer DNS-Sperre. Weder sei eine solche Sperre ausdrücklich darin genannt, noch werde § 37 KWG dem Zitiergebot gerecht. Darüber hinaus sei § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG nicht hinreichend bestimmt im Hinblick auf die Anordnung einer DNS-Sperre. Die angeordnete Sperre sei materiell rechtswidrig, weil sie gegenüber der Klägerin ermessensfehlerhaft sei. Die BaFin habe nicht alle ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Heranziehung der Beigeladenen ausgeschöpft. Die Anordnung der Einrichtung einer DNS-Sperre sei auch nicht verhältnismäßig; sie sei nicht geeignet, die unerlaubten Geschäfte der Beigeladenen zu unterbinden. Sie sei dazu auch nicht erforderlich. Bei anderen Markteilnehmern reiche nach Auffassung der BaFin eine – hier auch erfolgte – Warnung auf der Website der Beklagten aus. Ein Unterschied zur vorliegenden Konstellation sei nicht erkennbar. Die Anordnung der Einrichtung einer DNS-Sperre sei angesichts der Vielzahl der damit verbundenen Grundrechtseingriffe (Art. 12, Art. 5, Art. 10 GG, Netzneutralität) schließlich auch nicht angemessen. Dasselbe gelte für die der Klägerin auferlegte Informationspflicht.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Main gab der Klage statt und hob den Bescheid vom 20. August 2021 auf, wenngleich auch mit Einschränkungen. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG könne die BaFin die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte gegenüber dem Unternehmen oder den Mitgliedern seiner Organe anordnen, wenn ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis Bankgeschäfte betrieben oder Finanzdienstleistungen erbracht werden. Nach § 37 Abs. 1 Satz 4 KWG bestünden diese Befugnisse auch gegenüber dem Unternehmen, das in die Anbahnung, den Abschluss oder die Abwicklung der Geschäfte einbezogen ist. Die Klägerin sei hier als Internet- oder Access-Provider ohne ihr Wissen in die unerlaubten Geschäfte der Beigeladenen einbezogen worden, indem sie Nutzern den Zugriff auf die Website der Beigeladenen ermöglicht. Die Anordnung einer DNS-Sperre sei eine grundsätzlich aufgrund von § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung zulässige Maßnahme. Zwar sei der Klägerin zuzugestehen, dass der Tatbestand des § 37 Abs. 1 KWG in Bezug auf das Merkmal des Einbezogenseins sehr weit gefasst ist. Allerdings sei durch die Gestaltung der Vorschrift als Ermessensvorschrift gesichert, dass bei der Prüfung etwaiger Maßnahmen aufgrund von § 37 Abs. 1 Satz 1 und 4 KWG Verhältnismäßigkeitserwägungen in die Entscheidungsfindung eingestellt werden. Insofern scheitere die Anordnung einer DNS-Sperre auch nicht an einer mangelnden Bestimmtheit des § 37 Abs. 1 KWG. Der Anordnung einer DNS-Sperre stehe auch nicht ein Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen, denn keines der von der DNS-Sperre betroffenen Grundrechte unterfalle der Schranken-Schranke des Zitiergebots.

Im Streitfall war die Einrichtung einer DNS-Sperre jedoch nicht verhältnismäßig. Die BaFin habe sich nicht ausreichend darum bemüht, den Verstoß der in den Niederlanden ansässigen Beigeladenen mit Maßnahmen zu beenden, die ebenso effektiv – wenn nicht gar noch effektiver – gewesen wären. Sie habe sich insbesondere nicht darum bemüht, Kenntnisse über den Host-Provider für die Internetseite der Beigeladenen zu erlangen und gegebenenfalls Maßnahmen gegenüber diesem anzuordnen. Als derjenige, der die Internetseite der Beigeladenen auf seinem Server zur Verfügung stellt, wäre der Host-Provider nicht nur ebenfalls in die unerlaubten Geschäfte der Beigeladenen einbezogen. Ein Vorgehen gegen den Host-Provider wäre überdies effektiver, da dadurch sichergestellt wäre, dass die Internetseite nicht mehr besteht und auch nicht mehr über ein VPN oder durch eine schlichte Umbenennung der Seite aufgerufen werden könnte. Der Klägerin als Nicht-Störerin könne nur als ultima ratio die Einrichtung einer DNS-Sperre auferlegt werden, wenn Maßnahmen gegen die Störer nicht erfolgversprechend sind. Das Gericht ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zu, so dass davon auszugehen ist, dass der Rechtsstreit in 2. Instanz seine Fortsetzung findet.

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