Ein 17-jähriger Schüler hat die »Clearingstelle Urheberrecht im Internet« (CUII) blamiert: auf seiner Website hat er die vollständige Liste aller Domain-Namen veröffentlicht, die auf Betreiben von Rechteinhabern ohne vorherige gerichtliche Prüfung gesperrt werden.
Im Februar 2021 haben Anbieter von Internetzugangsdiensten mit Sitz in Deutschland, darunter 1&1, die Telekom Deutschland GmbH und die Vodafone Deutschland GmbH, gemeinsam mit Rechteinhabern wie dem Bundesverband Musikindustrie eV, der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH, der Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG und der Motion Picture Association (MPA), die CUII gegründet. Ihr Ziel ist es, »strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten« zu bekämpfen. Darunter versteht man Webseiten, deren Geschäftsmodell auf massenhafte Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet ist. Eine Sperre erfolgt, wenn die außergerichtliche, nach eigenen Angaben unabhängige Clearingstelle unter Vorsitz eines pensionierten Richters des Bundesgerichtshofes das empfiehlt und die Bundesnetzagentur unter den Maßgaben der EU-Netzneutralitätsverordnung keine Bedenken hat. Eine Sperrungsempfehlung durch die CUII kann nur bei Einstimmigkeit des dreiköpfigen Prüfausschusses erfolgen. Mittel der Wahl sind dabei DNS-Sperren. Sie verhindern die Zuordnung einer Domain zu einer IP-Adresse und somit den direkten Zugang zu einer Webseite. Die Sperren unterliegen keinem Richtervorbehalt; eine gerichtliche Überprüfung bleibt aber für alle Betroffenen möglich.
Wer wissen will, welche Domains von der CUII gesperrt sind, findet eine Übersicht auf deren Website im Abschnitt »Empfehlungen«. Allerdings handelt es sich dabei nur um einen Teil der Wahrheit. Ein 17-jähriger Schüler, der sich selbst Damian nennt und eine Leidenschaft für Informatik pflegt, hat eine vollständige Liste aller 275 aktuell gesperrten Domains im Netz veröffentlicht. In einem Interview mit netzpolitik.org weist er auf mindestens zwei Probleme hin, die er mit der CUII habe. Zum einen sei er dagegen, dass die CUII seiner Meinung nach eine Art privatwirtschaftliche Paralleljustiz betreibe. Damian erklärt gegenüber netzpolitik.org
Wenn eine private Organisation ohne Anhörung von Richter*innen entscheiden kann, welche Internetseiten sie sperrt, dann ist das ein Problem. Es gibt einen richtigen Weg, wie man solche Ansprüche durchsetzen kann. Das ist mit Aufwand für die Rechteinhaber verbunden. Die müssen beweisen, wo genau die Urheberrechtsverstöße stattfinden, versuchen, den Betreiber ausfindig zu machen, beim Hoster eine Löschung erbitten. Und für die Internetanbieter ist das auch unpraktisch, denn dann müssen sie vor Gericht. Der Rechtsweg stellt aber sicher, dass das im gesetzlichen Rahmen abläuft. Die CUII hingegen entscheidet das ganz allein. Das ist eine Art Selbstjustiz.
Zum anderen kritisiert Damian die Intransparenz. Die CUII halte geheim, welche Websites genau von ihren Sperren betroffen sind. Und der Nutzer kenne auch nicht das Ausmaß der Sperren. Er könne sich kein Bild davon verschaffen, welches Muster dahinter steht. Damian:
Deshalb wollen wir die CUII transparenter machen.
Woher er die Liste hat, verrät er nicht; nach Einschätzung von netzpolitik.org stammt die Liste offenbar von einem Internetprovider.
Allen Sperren zum Trotz verweist auch Damian darauf, dass sie ineffektiv sind, weil sie leicht umgangen werden können. Auf seiner Website hat er eine Schritt-für-Schritt Anleitung veröffentlicht, in der er die notwendigen Umgehungsmaßnahmen erklärt. Wer zum Beispiel mit Firefox im Netz surft, braucht dafür lediglich drei Klicks, ohne jegliche Zusatzsoftware; bei Chrome und Edge ist es ein Schritt mehr.