ITU

Russland untergräbt das Multi-Stakeholder-Modell

Im Streit um die Vormacht im Internet giesst Russland neues Öl ins Feuer: nach Angaben von Göran Marby, CEO der Internet-Verwaltung ICANN, versucht Moskau, über die International Telecommunication Union (ITU) das Multi-Stakeholder-Modell zu untergraben.

Von 25. bis 28. Oktober 2021 traf sich die ICANN-Community zum 72. Meeting, das als General Meeting stattfand und ausschließlich online abgehalten wurde. Gleich am ersten Tag war eine Konferenz des ICANN Board of Directors mit der Noncommercial Stakeholder Group (NCSG) angesetzt, das Marby die Gelegenheit bot, sich zu Gesprächen von ICANN mit den nationalen Regierungen zu äußern. Dabei legte er offen, dass Russland bestrebt sei, den Einfluss nationaler Regierungen auf die Verwaltung des Internets erheblich zu stärken und so das aktuelle Modell der Netzverwaltung in Frage zu stellen.

If you take what Tripti said in the beginning, first of all, we see a threat to the multistakeholder model and ICANN’s role in the Internet ecosystem. And anyone in this call are well aware about this threat. Russia in their attempt to be the next secretary (…) of the ITU. Their platform is about having a government running not only ICANN but also the RIRs, the IETFs and the root server systems.

so Marby. Der ICANN-CEO knüpft dabei an zwei Vorgänge an: zum einen die seit Monaten bestehenden Bemühungen Russlands um die Ausweitung staatlicher Kontrolle des Domain Name Systems, zum anderen den Vorstoß, mit Rashid Ismailov einen ehemaligen russischen Vize-Minister an die Spitze der ITU zu setzen, wenn 2023 der aktuelle Generalsekretär Houlin Zhao aus dem Amt scheidet.

Damit hätten die russischen Bemühungen eine völlig neue Qualität erhalten.

And some of you would say, oh, we heard that before. But this time I would say it’s a little bit different because I think that some of the positions we see there are more midstream than they were only five years ago.

Und Marby steht mit seinen Befürchtungen nicht allein.

And, indeed, the points Russia makes at the ITU are scary because they can speak to many governments. They are quite moderate, but they are — or, rather, midstream now, but they do refer to issue of power and control and this does speak.

pflichtete ihm Tatiana Tropina, Assistant Professor für Cybersecurity Governance an der niederländischen Leiden University bei. Welche konkreten Konsequenzen ICANN daraus ziehen wird, liess Marby vorerst offen.

Über den Versuch rein politischer Einflussnahme ist bisher öffentlich bekannt, dass Russland am Aufbau eines eigenen Netzes an »backup DNS root name servers« arbeitet. Sie sollen in den so genannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) aufgesetzt werden und diesen zur exklusiven Nutzung zur Verfügung stehen. Technisch sinnvoll ist ein solcher Schritt jedenfalls in Bezug auf das klassische World Wide Web kaum. Weltweit existieren 13 offizielle Root-Server, die, vereinfacht ausgedrückt, alle die Root-Zone spiegeln. Deren Ursprung ist der »A Root-Server«, der von VeriSign betrieben wird. Acht dieser Root-Server unterstehen keiner Kontrolle durch die US-Regierung, zwei sind ausserhalb der USA platziert. Würde einer der Root-Server manipuliert, gäbe es also noch mindestens 12 weitere Server, auf deren Datenbestand zurückgegriffen werden könnte. Die wahren Motive Russlands dürften deshalb auch hier darin liegen, mehr Kontrolle über das Internet und die weltweiten Datenströme zu erlangen.

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