Der Streit um das African Network Information Centre (AfriNIC) eskaliert weiter: die auf den Seychellen ansässige Cloud Innovation Ltd. hat bei Gericht beantragt, AfriNIC zu liquidieren.
In der an Skandalen und Dramen reichen Geschichte von AfriNIC schien zuletzt etwas Ruhe eingekehrt. Mit Zustimmung des Obersten Gerichtshofes von Mauritius hatte der Insolvenzverwalter Gowtamsingh Dabee am 26. Juni 2025 zwar mitgeteilt, dass die bereits laufenden Wahlen und damit die Neubesetzungen des AfriNIC-Vorstands annulliert werden; zugleich wurde aber als neuer Termin für die Durchführung der Wahlen der 30. September 2025 festgelegt. Weitere Einzelheiten wollte Dabee bekanntgeben, sobald sie verfügbar sind. Währenddessen ist ein anderer Akteur in die Offensive gegangen: Cloud Innovation Ltd. (CI), die auf den Verleih von IPv4-Adressen spezialisiert ist und sich über den Hongkonger IP-Adresshändler Lu Heng seit Jahren einen millionenschweren Streit mit AfriNIC liefert, hat eine Pressemitteilung veröffentlicht, wonach man die Abwicklung von AfriNIC anstrebt. »One disputed proxy« habe den Insolvenzverwalter veranlasst, die gesamte Wahl einzufrieren und schließlich für nichtig zu erklären; dadurch seien hunderte gültiger Stimmen, die in gutem Glauben abgegeben worden waren, zum Schweigen gebracht worden. Nach Ansicht von CI habe Dabee einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen, der als Anleitung zur Lähmung verstanden werden könne. CI teilt mit:
If any one vote can be used to cancel an election, can AFRINIC ever hold a valid one again?.
Jede künftige Abstimmung könnte aufgrund geringfügiger Differenzen einer ähnlichen Annullierung unterliegen. Widerwillig habe man sich daher entschieden, dass der einzig verbleibende Weg zum Schutz der afrikanischen Internet-Community die Unterstützung der geordneten Liquidation von AfricNIC sei:
By ‚winding up,‘ we refer to the legal process of dissolving AFRINIC as a corporate entity and transitioning its responsibilities to a more trusted framework.
Wer das sein soll, ist offen.
Unterdessen erhöht auch die Internet-Verwaltung ICANN den Druck auf Dabee. In einem Schreiben vom 16. Juli 2025 an Avinash Ramtohul, Minister für Informationstechnologie, Kommunikation und Innovation der Republik Mauritius, beklagte sich ICANN-CEO Kurtis Lindqvist über mangelnde Kooperation des Insolvenzverwalters. Lindqvist erklärt:
Mr. Dabee, in response to the 25 June 2025 letter, provided a letter with enumerated responses to each question posed. However, the content of those responses was sparse, offering few details and instead suggesting that no further detail was needed about the annulled election because the election was annulled.
Die Annullierung der Wahl lasse nicht die Notwendigkeit der Begründung und Dokumentation entfallen, wie es zu dieser Situation kommen konnte und wie eine Neuwahl dieselben Fallstricke vermeiden könne.
AFRINIC’s continued silence on the factors that led to the annulment of the election and its intention to press forward to hold a new election without any meaningful analysis of what went wrong (and right) with the annulled nomination and election process previously convened, remains problematic.
Allerdings verwahre sich ICANN ausdrücklich gegen die Behauptung, dass die von CI beantragte Liquidation von AfriNIC mit den Forderungen von ICANN übereinstimme:
ICANN wishes to make clear that nothing could be further from the truth.
Ziel von ICANN bleiben freie und faire Wahlen, an denen alle berechtigten AfriNIC-Mitglieder teilnehmen können. Ein ordnungsgemäß gewählter Vorstand sollte das Gremium sein, das im Namen von AfriNIC handelt.
Abschließend unterbreitet Lindqvist dem Minister einige Ideen, wie man die Situation lösen könnte. Vorgeschlagen werden die Wiederherstellung des Vertrauens der Mitglieder, die Ausrichtung von AfriNIC auf künftigen Erfolg und die Einholung unabhängiger Expertise zum Wahlverfahren. Zugleich behalte man sich vor, eine Compliance-Überprüfung von AfriNIC einzuleiten, an deren Ende die Übertragung der Aufgaben von AfriNIC auf eine andere Regional Internet Registry (RIR) stehen könnte. Ein Ende der Auseinandersetzung ist jedenfalls nicht in Sicht.