Es ist vollbracht: Die Mitglieder des skandalumwitterten African Network Information Centre (AfriNIC) haben früher als ursprünglich geplant einen neuen Vorstand gewählt. Doch die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt.
Millionenschwere Klagen, Kontenpfändungen, ein Insolvenzverfahren, Unregelmäßigkeiten bei der Vorstandswahl, ein von der Regierung eingesetzter Sonderermittler und zuletzt ein Antrag auf Liquidierung – keine andere Regional Internet Registry (RIR) hat für eine vergleichbare Welle an Skandalen gesorgt wie AfriNIC. Und diese Welle dauerte bis zuletzt an. Offenbar war die Anzahl der kursierenden Fakenews rund um die Vorstandswahlen so groß, dass man sich am 11. September 2025 zu folgender Klarstellung veranlasst gesehen hat:
AFRINIC wishes to categorically deny and dispel any fake news circulating to the effect that afrinic.net has been hacked or compromised. Our systems remain secure, and all election-related processes are being conducted safely on our trusted platforms. We urge members and stakeholders to rely only on official AFRINIC channels for verified information.
Erst wenige Tage zuvor war am 06. September 2025 der Hinweis auf der AfriNIC-Website zu lesen, dass die ursprünglich auf den 30. September 2025 verschobenen Vorstandswahlen vorverlegt werden:
Pursuant to the above Order, the Honourable Judge of the SupremeCourt of Mauritius has on, 05 September 2025, ordered that ‚the Receiver proceeds with the election process in the presence of the Electoral Commissioner who will oversee and supervise the election process of the 12 September 2025 with a view to ensuring that the election process is carried out in a free and fair manner in the best interests of AfriNIC all its members.
Dem vorausgegangen war wiederum ein Beschluss des Obersten Gerichtshofes von Mauritius vom 05. September 2025 im Verfahren »Cloud Innovation Ltd v G Dabee & Anor« (Az. SC/COM/WRT/000599/2025).
Doch allen Widrigkeiten zum Trotz wurden die Wahlen am 12. September 2025 abgeschlossen. Der neue AfriNIC-Vorstand setzt sich demgemäß wie folgt zusammen:
Vorstandsmitglied 1 (Nordafrika): Abdelaziz Hilali
Vorstandsmitglied 2 (Westafrika): Prof. Emmanuel Adewale Adedokun
Vorstandsmitglied 3 (Indischer Ozean): Kaleem Ahmed Usmani
Vorstandsmitglied 4 (Zentralafrika): Kayemba Laurent Ntumba
Vorstandsmitglied 5 (südliches Afrika): Carla Sanderson
Vorstandsmitglied 6 (östliches Afrika): Fiona Asonga
Vorstandsmitglied 7 (außerhalb der Region): Benjamin Mark Roberts
Vorstandsmitglied 8 (außerhalb der Region): Ajao Adewole David
Mit unter anderem Abdelaziz Hilali, Emmanuel Adewale Adedokun und Fiona Asonga haben sich dabei alle Kandidaten durchgesetzt, für die sich die südafrikanische Internet Service Providers‘ Association (ISPA) in einem bemerkenswerten Bruch mit ihrer historischen Neutralität kurz vor der Wahl stark gemacht hatte. Die ISPA räumte zwar ein, dass auch andere Kandidaten qualifiziert seien, argumentierte aber, dass ihre Kandidatenliste die größten Erfolgschancen bei der Wiederherstellung der verlorenen Glaubwürdigkeit des AfriNIC-Vorstands biete. Allgemein wird erwartet, dass der neue Vorstand für Stabilität, Vertrauen und Kontinuität bei der Verwaltung wichtiger Internetressourcen in Afrika sorgt. Für den Kenianer Mwendwa Kivuva, IKT-Administrator an der Universität Nairobi und lange in verschiedenen Funktionen für die Internet-Verwaltung ICANN tätig, ist aber noch nicht ausgemacht, ob das gelingt. Um das Vertrauen der Mitglieder wiederherzustellen, sei es unerlässlich, Arbeitsrückstände zu beseitigen und dringende Anfragen von Mitgliedern zu bearbeiten, die aufgrund der Störungen seit Monaten auf den Dienst warten. Dazu müsse der Routinebetrieb für die Zuweisung und Verwaltung kritischer Internetressourcen wie IPv4- und IPv6-Adressen priorisiert werden.
Doch gerade bei den heiss begehrten IPv4-Adressen erwartet den neuen Vorstand viel Arbeit. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Cloud Innovation Ltd. (CI), die auf den Verleih von IPv4-Adressen spezialisiert ist und sich über den Hongkonger IP-Adresshändler Lu Heng seit Jahren einen millionenschweren Streit mit AfriNIC liefert, dauern unverändert an. Und auch die Internet-Verwaltung ICANN erwartet eine restlose Aufklärung aller Versäumnisse und eine verstärkte Kooperation. Dass AfriNIC seinen Status als RIR verliert, ist nach wie vor möglich; die dafür notwendigen Regelungen durch die Number Resource Organization (NRO) wurden am 28. August 2025 in einem überarbeiteten Entwurf vorgestellt. Das »Governance Document for the Recognition, Operation, and Derecognition of Regional Internet Registries« soll noch in diesem Jahr beschlossen werden.