Der König es tot, es lebe der König: mit diesen knappen Worten lässt sich der Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS), der vergangene Woche in der tunesischen Hauptstadt Tunis stattgefunden hat, zusammenfassen. Wichtigstes Ergebnis: die drohende Spaltung des Internets ist abgewendet. ICANN behält weiterhin die Aufsicht über das Domain Name System und wird künftig durch ein „Internet Governance Forum“ unterstützt.
Doch bevor sich die etwa 30.000 Delegierten aus über 120 Ländern den Sachfragen widmen konnten, ging es nochmals heftig zur Sache. „Haltet die UN davon ab, das Internet wie Seeräuber zu kapern“, „Internet in UN-Verwaltung wäre globale Katastrophe“ oder „Warnung vor wirtschaftlicher Aufruhr“ so lauteten die Schlagzeilen der US-Presse, um den drohenden Machtverlust abzuwenden. Die Positionen waren also klar verteilt: Während die USA die bisherige Verwaltung durch ICANN beibehalten und damit über das Handelsministerium weiterhin unmittelbar Einfluss auf das Herzstück des Internets, das Domain Name System, nehmen wollen, plädieren die Vereinten Nationen (UN) für eine Ablösung zu Gunsten eines multinationalen Gremiums, welches die Verwaltung des Internets (auch) in die Hände der Regierungen legen will.
Wie so oft in politischen Auseinandersetzungen endete die Debatte mit einem Kompromiss: die USA behalten die technische Oberhand über das Internet; zusätzlich hat man ein „Internet Governance Forum“ (IGF) installiert, in dem Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vertreten sind und das sich im 2. Quartal 2006 erstmals in Griechenland trifft. Das Forum gleicht allerdings einem Tiger mit Milchzähnen; so kann es zwar Meinungen kanalisieren, hat aber weder Aufsichtsfunktion noch gibt es politische Kompetenzen; aus dem Tagesgeschäft ist es ausdrücklich ausgenommen. Umschrieben sind seine Aufgaben unter anderem mit Informationsaustausch mit an der Internet Governance Beteiligten, die Förderung der Nachhaltigkeit, Robustheit, Sicherheit, Stabilität und Entwicklung des Internets sowie das Engagement der Interessengruppen zu stärken. Die Reaktion von ICANN-Insidern fiel demnach auch gemischt aus. Nach Ansicht von Milton Mueller ist das Kernproblem vollständig ungelöst; durch das IGF sei lediglich der Weg für weitere fünf Jahre der Diskussion rund um ICANN geebnet, er sprach sich jedoch nicht grundsätzlich gegen das Forum aus. In die gleiche Kerbe schlagen Juraprofessor Michael Geist und Wolfgang Kleinwächter, Professor für internationale Kommunikationspolitik an der Universität Aarhus. Wer sich hier näher informieren will, dem sei das Angebot circleid.com ans Herz gelegt, wo zahlreiche Kenner der Materie den Gipfel und seine Ergebnisse diskutieren.
In einem Abschlusspapier (.pdf) sind die Ergebnisse zusammengefasst.
Kleine Randnotiz: die Adressen InternetGovernanceForum.com und InternetGovernanceForum.org stehen bereits auf der Handelsplattform Sedo zum Verkauf. Und igf.org gehört der königlichen Gesellschaft für bedürftige Frauen in Schottland …