Die Welt der Netzverwaltung ist um eine Arbeitsgruppe reicher: das prominent besetzte »Panel on Global Internet Cooperation and Governance Mechanisms« hat am 20. Mai 2014 seinen ersten Report vorgelegt. Unterdessen lässt die US-Politik die Muskeln spielen.
Besetzt mit Netzprominenz wie Fadi Chehadé (ICANN-CEO), Vint Cerf (Chief Internet Evangelist von Google), Kathy Brown (CEO der Internet Society), Mitchell Baker (Vorsitzender der Mozilla Foundation) oder Jimmy Wales (Gründer der Wikipedia), hat das Panel die vergangenen sechs Monate genutzt, um Empfehlungen zusammenzutragen, wie die Netzverwaltung in einem globalen Ökosystem verbessert werden kann. Herausgekommen ist ein 65-seitiger Report, der anknüpfend an die NETmundial-Konferenz in Sao Paulo, das Themenfeld »Internet Governance« auf vier Elemente konzentriert: »issue identification«, »solution mapping«, »solution formulation« und »solution implementation«. Er unterstützt aktiv die von der National Telecommunications and Information Administration (NTIA) der USA gemachten Ankündigung, die Verantwortung für die IANA-Funktionen in die Hände der globalen Multistakeholder-Community legen zu wollen. Wer mit Internet Governance nicht vertraut ist, wird den Report möglicherweise als sperrig empfinden; Insider dürften ihn aber als Beschreibung des aktuellen Status Quo wertvoll finden, zumal er im Wesentlichen festhält, dass die Diskussionen um die Netzverwaltung erst am Anfang stehen.
Noch unklar ist, wie der Übergangsprozess durch die US-Politik beeinflusst wird. Am 22. Mai 2014 passierte der »Domain Openness Through Continued Oversight Matters«, kurz »DOTCOM-Act«, das Repräsentantenhaus. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der NTIA für die Dauer von bis zu einem Jahr untersagt wird, Verantwortung über das Domain Name System abzugeben; während dieses Zeitraums soll der »Comptroller General«, also der Direktor des US-Rechnungshofes Government Accountability Office (GAO), Zeit erhalten, einen Report zu erstellen, der die möglichen Auswirkungen eines IANA-Übergangs untersucht. Zeitgleich kürzte der US-Kongress das NTIA-Budget für das kommende fiskalische Jahr von U$ 51 Mio. auf U$ 36,7 Mio., so dass die praktische Umsetzung des Übergangs 2015 wirtschaftlich nahezu ausgeschlossen ist. Tritt der »DOTCOM-Act« in Kraft, wären der NTIA im Jahr 2015 damit die Hände gebunden. Auf Initiative des Senators Marco Rubio (Florida) soll ausserdem das »Committee on Commerce, Science, and Transportation« des US-Senats eine Anhörung durchführen – der politische Druck wird also größer.
Unterdessen hat ICANN-CEO Fadi Chehadé per Blog-Eintrag mitgeteilt, dass seines Erachtens der IANA-Übergang auf vier Säulen fuße. Auf der ersten Säule sammle ICANN die Meinungen der Community ein, um den Regelungsvorschlag für die NTIA auszuarbeiten; die bisher über 1.000 eingegangenen Stellungnahmen werden aktuell ausgewertet und für das ICANN-Meeting in London aufbereitet. Säule zwei befasst sich damit, die Verantwortung von ICANN zu stärken; dies umfasst sowohl die Rechte als auch die Pflichten, die ICANN beispielsweise mit dem Grundlagenvertrag »Affirmation of Commitments« von der US-Regierung übertragen wurden. Die dritte Säule soll dafür sorgen, dass die Sicherheit und Stabilität von Updates der Root Zone gewährleistet bleibt; dabei soll VeriSign die Rolle als Instandhalter beibehalten, auch wenn die NTIA als Verwalter ausscheidet. Und auf der vierten Säule sollen die bilateralen Beziehungen zwischen den verschiedenen Verwaltungseinheiten wie der Internet Engineering Task Force, der Generic Names Supporting Organization oder den ccTLD-Betreibern gestärkt werden. Angesichts dieses Bergs an Arbeit will Chehadé nicht ausschließen, dass schon deshalb ein Übergang 2015 nicht stattfinden wird.