»Hört auf zu reden und handelt« – mit diesem eindringlichen Appell hat sich Neelie Kroes, EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, an die Teilnehmer des Internet Governance Forum (IGF) in Istanbul gewandt. Bis zu einer IANA-Reform ist es allerdings noch ein weiter Weg.
Knapp 2.500 Teilnehmer hatten sich vom 2. bis 5. September 2014 zum bereits 9., von der UN organisierten Internet Governance Forum in Istanbul getroffen, um über die Zukunft der Netzverwaltung zu diskutieren. Für die Europäische Kommission hatte Kroes bereits im Vorfeld betont, dass man für ein freies und offenes Internet kämpfen werde. Dazu gehört erneut ein klares Bekenntnis der EU zum Multistakeholder-Modell der Netzverwaltung. So ganz eigennützig geht die Kommission dabei nicht vor; in einer Pressemitteilung verbindet man dieses Bekenntnis zum Multistakeholder-Modell mit einer Forderung nach größerer Verantwortlichkeit und Transparenz, beispielsweise im Zusammenhang mit der Einführung der Top Level Domains .vin und .wine. Dort streiten Europa und die USA um mehr Schutz für geographische Herkunftsbezeichnungen, um zum Beispiel der Champagne, Bordeaux oder Chianti mehr Schutz zu verleihen, als ihnen nach den Grundsätzen des internationalen Markenrechts zusteht. Die neuen Endungen einzuführen, ohne diesen Regionen angemessenen Schutz zu gewähren, sei ein großer Fehler und würde die Rechte der Weinbauern und die Glaubwürdigkeit des Multistakeholder-Modells unterlaufen. Zugleich betont Kroes jedoch, dass man die Idee eines staatlichen kontrollierten Internets klar zurückweise.
Insgesamt sei 2014 ein kritisches Jahr für die globale Internet Governance. Kroes sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die Rolle des IGF zu stärken. Bisher hat es nur die Funktion einer Diskussionsplattform, ohne bindende Entscheidungen zu treffen. Die Zeiten eines »talk shop« seien jedoch vorbei, es müssten konkrete Empfehlungen erarbeitet werden. Nach Ansicht von eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft eV, ist man dabei in Sachen IANA-Reform schon auf einem guten Weg. Gesucht werde innerhalb des MultistakeholderDialogs nach einer Nachfolgeregelung der Internet-Adressverwaltung durch ICANN. Wie die Neuorganisation der ICANN dann aussehen soll, sei bislang allerdings noch unklar und Gegenstand internationaler Verhandlungen. Die US-Regierung hat bisher jedoch verdeutlicht, dass man wenig gewillt ist, ICANN abzuschaffen. So betonte Lawrence E. Strickling für das US-Handelsministerium bereits wiederholt, dass sich die USA keineswegs aus dem Internet zurückziehen würden. Findet sich für die Netzverwaltung kein Modell, das den Segen der USA erhält, bleibt vielmehr alles beim Alten. Jede Diskussion leidet daher letztlich daran, dass es an konkreten Vorschlägen fehlt; und selbst wenn Vorschläge vorliegen, müssen sie noch den Segen der US-Regierung finden.
All zu viel Zeit für Diskussionen bleibt nicht mehr: im September 2015 enden die aktuellen Verträge zwischen der US-Regierung, ICANN und VeriSign, die das Management der Root Zone regeln. Ob es gelingt, bis dahin eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung gefunden zu haben, darf bezweifelt werden. Gut möglich daher, dass sie dann nochmals verlängert werden und in Sachen Netzverwaltung und IANA-Funktion vorläufig alles beim alten bleibt.