Die EU-Kommission macht angesichts zunehmender Adressverknappung im Internet weiter Druck: durch konzertierte Maßnahmen auf europäischer Ebene soll das neue Internet-Protokoll IPv6 bis 2010 in 25 % der Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Haushalten nutzbar sein.
„Nur wer sich frühzeitig auf die nächste Generation des Internets vorbereitet, ist für die Zukunft gerüstet und hat später nicht das Nachsehen,“ – mit diesen Worten brachte Viviane Reding, EU-Kommissarin für die Informationsgesellschaft und Medien, das Problem auf den Punkt. Anlässlich des IPv6-Tags am 30. Mai 2008 in Brüssel machte Reding klar, dass Europa bei der Nutzung modernster Internet-Technik ins Hintertreffen geraten könnte, sobald der Adressvorrat des alten Systems zur Neige geht; dabei zitierte sie altbekanntes Zahlenmaterial: während das bisher verwendete Protokoll IPv4 etwa 4,3 Milliarden IP-Adressen zur Verfügung stellt, wovon noch etwa 16 % nicht vergeben sind, bietet IPv6 so viele Adressen, dass für jeden Quadratmillimeter Erdoberfläche etwa 667 Billiarden IPv6-Adressen bereitgestellt werden könnten. Und die sind dringend notwendig: „Wenn die neuesten Internet-Anwendungen wie Funketiketten in Geschäften, Fabriken und auf Flughäfen, intelligente und energiesparende Heiz- und Beleuchtungssysteme sowie fahrzeuginterne Netze und Navigationssysteme in Europa genutzt werden sollen, steigt der Bedarf an IP-Adressen bereits um das Tausendfache“, so Reding.
Die EU liegt damit auf einer Linie mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Diese hatte Mitte Mai anlässlich eines Treffens in Korea davor gewarnt, dass bereits in drei Jahren keine neuen Internetadressen mehr verfügbar sein könnten. Regierungen und Unternehmen sollten deshalb bei Internetbetreibern stärker darauf dringen, dass sie von IPv4 auf die neue Version IPv6 umstellten. Als öffentliches Vorbild will die EU vorangehen und bis Ende 2008 Zusagen von mindestens 100 Betreibern der wichtigsten europäischen Websites wie etwa Rundfunksender oder Online-Nachrichtendienste für IPv6 erhalten.
Auch für Neuseeland hat Peter Macaulay, Präsident der Organisation InternetNZ, gefordert, dem europäischen Vorbild zu folgen. „Es ist lebensnotwendig, dass auch wir diesen Weg einschlagen, und zwar schnell“. Nach seinen Feststellungen kostet der Umstieg zwar Zeit und Geld, ein Grossteil der Hardware an Routern und Switches, aber auch an Software sei jedoch schon jetzt IPv6-fähig. In Japan hat das Telekommunikationsunternehmen Nippon Telecom and Telegraph (NTT) ein öffentliches IPv6-Netzwerk bereits gestartet; China steckt in den Startlöchern. Der Stein kommt also ins Rollen.