IPv4

AfriNIC kassiert Niederlage im Streit mit IP-Händler

In der Dauerfehde mit Cloud Innovation Ltd. (CI) hat das African Network Information Centre (AfriNIC) eine erwartbare Niederlage einstecken müssen: der Supreme Court of Mauritius hat am 19. Juli 2022 angeordnet, dass CI sein umstrittenes Lizenzverfahren für IPv4-Adressen zumindest vorläufig weiterbetreiben darf.

Fünf Regional Internet Registries (RIRs) kümmern sich weltweit um die Zuteilung von IP-Adressen, eine davon ist die für Afrika zuständige AfriNIC. Der weltweite Mangel an IPv4-Adressen hat CI, eine auf den Seychellen ansässige Unternehmung, dazu veranlasst, sich auf die Lizenzierung von IPv4-Adressen zu spezialisieren. Im Jahr 2020 fiel AfriNIC bei einer Prüfung auf, dass die Mehrzahl der IPv4-Adressen von CI außerhalb der AfriNIC-Region genutzt werden. AfriNIC sieht darin eine Verletzung des »Registration Services Agreement« (RSA) und drohte CI den Entzug der IPv4-Adressen an. Das war der Auslöser für CI, AfriNIC mit zahlreichen Klagen zu überziehen. Darin stellt man die Berechtigung zur Adressentziehung in Abrede und verlangt unter anderem eine finanzielle Kompensation von US$ 1,8 Mrd. Dabei erzielte CI einen für AfriNIC existenzbedrohenden Teilerfolg: der Supreme Court of Mauritius urteilte am 13. Juli 2021, dass die Konten von AfriNIC bei der SBM Bank Ltd. (Mauritius) und der Mauritius Commercial Bank bis zu einem Betrag von US$ 50 Mio. vorübergehend eingefroren sind. Dadurch war der Weiterbetrieb unmittelbar in Gefahr. Erst im Oktober 2021 gelang es, diese Entscheidung zu revidieren. Mehr als ein Etappensieg war AfriNIC jedoch nicht gelungen.

In einer der rund 40 Auseinandersetzungen zwischen AfriNIC und CI ging es im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darum, ob AfriNIC berechtigt war, die Mitgliedschaft von CI zu beenden und damit den Zugang zu den IPv4-Adressen zu entziehen. Der wiederum ist zentral für das Geschäftsmodell von CI; nach Recherchen von heise.de hält CI aktuell etwa sechs bis sieben Millionen IPv4-Adressen und vermietet sie für umgerechnet rund US$ 0,37 pro Monat. Die Entscheidung des Supreme Court of Mauritius ist auch nach deutschem Prozessrecht wenig überraschend: vor einer Entscheidung in der Hauptsache muss AfriNIC den Zugang weiter gewähren, alles andere käme einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich. Mit der juristischen Kernfrage, ob eine Vertragsverletzung vorliegt, hat sich das Gericht nicht befasst. AfriNIC sieht in der Lizenzierung von IPv4-Adressen ausserhalb Afrikas einen Verstoß gegen Sektion 4 des RSA, da »changes in use« vorlägen; CI beruft sich hingegen unter anderem darauf, dass auch Mitglieder der europäischen RIPE ihre Adressen außerhalb Europas nutzen dürfen. Den Vorwurf von AfriNIC, dass CI angesichts der Vielzahl von gerichtlichen Verfahren rechtsmissbräuchlich handle, verwarf der Supreme Court, da CI vorliegend keine andere Wahl geblieben sei, als um einstweiligen Rechtsschutz zu bitten. Wann eine Entscheidung in der Hauptsache ergeht, ist aktuell völlig offen.

Die vier weiteren RIRs zeigten sich über die Entwicklung in Afrika besorgt. In einem Schreiben vom 17. Juni 2022 heisst es:

»The excessive number of court cases against AFRINIC are of particular concern to other RIRs because they represent a threat to AFRINIC’s autonomy and its community. These challenges are designed, we believe, to cause serious damage to both.«

Auch die Verlegung des Sitzes von AfriNIC aus Mauritius in ein anderes Land steht augenscheinlich zur Diskussion:

»It would be a shame for the community in Africa if the situation described turned out to be a mistake in choosing Mauritius as the seat for Afrinic.«

Allerdings ist auch AfriNIC selbst nicht frei von allen Vorwürfen; so musste der CEO Eddy Kayihura auf gerichtliche Anordnung hin vorübergehend suspendiert werden. All das könnte der African Telecommunication Union in die Karten spielen, die sich um mehr staatlichen Einfluss auf das Domain Name System bemüht.

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