Vinton „Vint“ Cerf, Internet-Pionier und von 1999 bis zum Ende 2007 Vorstandsvorsitzender der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), mahnt in Sachen IPv6 zur Eile: nach seiner Einschätzung gehen dem Netz bereits in 18 Monaten die Adressen aus.
600 Millionen – auf diese scheinbar riesige Menge schätzt Cerf die Zahl der noch zu vergebenden IPv4-Adressen. Doch spätestens Anfang 2010 ist auch dieser Restpool aufgebraucht. Da IP-Adressen in Blöcken (und nicht einzeln) vergeben werden, könnte der Vorrat jedoch auch schon Ende 2009 zu Neige gehen. „Es ist, als ob Telefonnummern ausgehen würden, und damit die Möglichkeit, weitere Nutzer an das Telefonnetz anzuschließen“ so Cerf. Dabei steht seit Jahren das neue Protokoll IPv6 in den Startlöchern, womit sich ein neuer Raum von theoretisch 3,4 x 10 hoch 38 verschiedenen Adressen schaffen lässt. Doch dessen Verbreitung ist verschwindend gering: nach Messungen des US-Netzwerkunternehmens Arbor Networks entfällt auf den IPv6-Traffic etwa 0.0026 Prozent des IPv4-Verkehrs. Die Gründe hierfür liegen im wirtschaftlichen Bereich: da der Übergang von IPv4 zu IPv6 mit hohen Kosten und komplexen technischen Fragen verbunden ist, scheuen nicht wenige Unternehmen den hohen Aufwand.
In einem Interview mit der London Times befürchtet Cerf zudem, dass Internet Service Provider das Thema IPv6 nicht ernst genug nehmen. Sobald sie jedoch realisieren würden, dass ihnen die Adressen ausgehen, erwartet Cerf nicht nur eine regelrechte Balgerei um die letzten noch freien Adressen, sondern darüber hinaus, der Eile geschuldete, technische Probleme bei der Implementierung von IPv6. Die APNIC 26 Konferenz in Neuseeland hielt im August 2008 sogar einen Schwarzmarkt für IPv4 für möglich; ICANN-Kritiker Auerbach räumt ein, schon einige „ziemlich heftige“ Angebote für seinen IPv4-Adressblock, der ihm in den Anfangszeiten des Internets zugeteilt wurde, erhalten zu haben. Die Bedeutung von IPv6 wird daher bewusst, wenn man sich vor Augen führt, dass ohne das neue Protokoll das Internet nicht mehr weiter wachsen kann – internetgesteuerte Lichtschaltungen und Heizungen oder Fahrzeuge mit Webzugang sind dann nicht mehr möglich. Für Cerf unverständlich: „Die technische Arbeit für IPv6 ist abgeschlossen. IPv6 ist lediglich ein Thema der Unternehmen, und die Internet Service Provider weltweit müssen IPv6 mehr Aufmerksamkeit schenken“.
Überraschend am Rande: die weltweit höchste IPv6-Verbreitung weisen Afrika und Asien auf. Gerade die Länder mit dem stärksten Internetwachstum zeigen sich damit am besten gerüstet für die Zukunft. Bleibt die Hoffnung, dass auch Europa und die USA rasch nachziehen.