Steht das System der weltweiten IP-Adressvergabe über fünf Regional Internet Registries vor dem Kollaps? Die juristische Schlammschlacht zwischen AfriNIC und Cloud Innovation Ltd. hat Folgen, die weit über Afrika hinausreichen könnten.
Fünf Regional Internet Registries (RIRs) kümmern sich weltweit um die Zuteilung von IP-Adressen: das Réseaux IP Européens Network Coordination Centre (RIPE NCC) für Europa, den Mittleren Osten und Teile von Zentralasien, die American Registry for Internet Numbers (ARIN) in USA, Kanada, Bermuda, den Bahamas und Teilen der Karibik, das Asia-Pacific Network Information Centre (APNIC) für die Region Asien und den Pazifik, die Latin American and Caribbean Internet Addresses Registry (LACNIC) für Lateinamerika und die Karibik sowie das African Network Information Centre (AfriNIC) für Afrika. Die RIRs sitzen damit an der Schnittstelle für eines der derzeit begehrtesten Güter im Internet: IP-Adressen im Format IPv4, denn rund um den Globus gehen diese Adressen aus. Zwar gibt es mit Adressen im Format IPv6 längst einen Nachfolger, definiert von der Internet Engineering Task Force (IETF); sie haben sich aus technischen (IPv4 funktioniert noch gut genug), wirtschaftlichen (erhebliche Kosten für Umstellungen bei Hardware, Software und Schulungen) und praktischen (alte Geräte oder Software unterstützen IPv6 nicht oder nur unvollständig) Gründen jedoch bisher nicht durchgesetzt. Um von diesem Adressmangel zu profitieren, hat sich Cloud Innovation Ltd. (CI), eine auf den Seychellen ansässige Unternehmung, auf den Verleih von IPv4-Adressen spezialisiert. Als Mitglied von AfriNIC hat CI etwa 6,2 Mio. IPv4-Adressen bezogen. Im Jahr 2020 fiel AfriNIC bei einer Prüfung jedoch auf, dass die Mehrzahl der IPv4-Adressen vertragswidrig außerhalb der AfriNIC-Region eingesetzt wird; daher drohte man CI den Entzug der IPv4-Adressen an.
Und damit wurde ein Stein ins Rollen gebracht, der das System der RIRs ins Wanken bringen könnte. Nach Recherchen des Online-Magazins heise.de steht hinter CI der Hongkonger IP-Adresshändler Lu Heng, der sich seit Jahren einen millionenschweren Streit mit AfriNIC liefert. Doch der Konflikt könnte sich auch auf andere RIRs ausweiten, denn anlässlich der Mitgliederversammlung des RIPE am 14. Mai 2025 in Lissabon stellte er die anwesenden Mitglieder vor die Wahl: entweder, sie nehmen sie Nummernportabilität für IP-Adressblöcke ins neue Grundsatzdokument der globalen IP-Adressverwalter mit auf oder sie müssen sich auf kartell- und wettbewerbsrechtliche Klagen einstellen, »die zig Millionen Dollar kosten könnten.« Konkret sei das Exklusivrecht zur Vergabe von IP-Adressen innerhalb einer Region problematisch; die RIRs hätten sich den globalen Markt praktisch aufgeteilt. Außerdem behindere man durch Beschränkungen beziehungsweise den Ausschluss von Nummernportabilität etwaige Wettbewerber. Wie heise.de weiter berichtet, hat Heng noch keine formale Beschwerde bei den niederländischen oder europäischen Wettbewerbshütern eingereicht; er behalte sich diesen Schritt aber ausdrücklich vor. Heng erklärt gegenüber heise.de:
Wir sprechen uns für Reform, nicht Ablösung aus und wollen, dass Rechte wie Portabilität, fairer Zugang und korrekte Verfahren sichergestellt werden, zur Stärkung und Vermeidung regulatorischer Übergriffe.
Ob das System der RIRs und die damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Gesetzeslage in Einklang stehen, stand bisher außer Frage, ist höchstrichterlich aber ungeklärt.
Für Robert Duigan von capeindependent.com, der sich eingehend mit CI beziehungsweise Heng beschäftigt und deshalb mehrmals Abmahnungen erhalten hat, steht fest:
He aims to break apart the regional governance system, and create a single ‚unregulated‘ market under the guidance of his conflicted interests. This could see the end of the internet as we know it, and possibly create a new global tech giant on the back of little more than lawfare, gatekeeping and rentiership.