Der Internet-Verwaltung ICANN ist beim Kampf gegen das Domain-Tasting ein erster Sieg gelungen: dank einer Änderung der Vergabepolicy sank die Löschungsquote drastisch. Dafür wächst die Kritik an den Plänen zur Einführung neuer Top Level Domains.
Auf Empfehlung der Generic Names Supporting Organization hatte ICANN im Juni 2008 kurzfristig beschlossen, die Hürden für Gebührenerstattungen in der 5-tägigen „Add Grace Period“ (AGP) zu erhöhen. Demnach erhalten Registrare die Gebühren nicht mehr erstattet, wenn die Löschungen innerhalb der AGP mehr als 50 oder mehr als zehn Prozent der von ihnen insgesamt in diesem Monat registrierten Domains betreffen. Bisher hatten zahlreiche Registrare die AGP genutzt, um Domains zu registrieren, um darunter Werbung zu schalten und Domains ohne ausreichend Traffic innerhalb der fünf Tage gegen Erstattung der Gebühren wieder zu löschen. Nach der neuen Regelung muss jeder Registrar für Transaktionen, die das Limit übersteigen, eine Gebühr von US$ 0,20 zahlen. Bereits im Juli 2008 sank daraufhin die Zahl der Löschungen in der AGP von im Vormonat 17,8 Millionen auf nurmehr 2,8 Millionen – ein Rückgang von 84 Prozent. Ähnliche Erfahrungen machten zuvor die Registries PIR (.org) und Neustar (.biz); hier sank die Löschungsquote mit Einführung der geänderten Policy um über 93 Prozent. Es wird damit gerechnet, dass ICANN die bisher vorläufigen Regelungen nun mit Wirkung zum 01. März 2009 endgültig einführt und so exzessivem Tasting die Grundlage entzieht.
Bis dahin muss sich ICANN nach Einschätzung von Kritiker George Kirikos mit einer „versteckten Bombe“ beschäftigen. So sehen die Vertragsentwürfe für die neuen generischen Top Level Domains vor, dass die Vergabestellen selbst die Preise festlegen, zu denen sie Domains an Registrare verkaufen; so könnten künftig begehrte Domains wie sex.TLD teurer vergeben, aber auch teurer verlängert werden als andere Adressen gleicher Endung. Bereits dies mag nicht unproblematisch sein; berücksichtigt man aber weiter, dass die Registry-Verträge ebenfalls eine Gleichbehandlung vorsehen, wird es difizil; was eine Registry darf, kann demnach der anderen nicht untersagt werden. Für VeriSign als Betreiber von .com und .net gilt bisher jedoch eine Kappungsgrenze für Gebührenerhöhungen von maximal sieben Prozent jährlich. VeriSign könnte daher nach Einschätzung von Kirikos verlangen, auch seinerseits die Domain-Preise frei zu bestimmen und damit selbst längst bestehende Registrierungen drastisch zu verteuern; denkbar wäre, dass siemens.com anstelle EUR 12,– plötzlich EUR 12.000,– im Jahr oder mehr kostet.
Und auch von anderer Stelle hagelt es Kritik. Milton Mueller von der Universität Syracuse bemängelt, dass mit der International Chamber of Commerce nicht die geeignete Schiedsstelle gefunden sei, um zu entscheiden, ob eine Bewerbung bei ICANN um eine neue TLD gegen öffentliche Ordnung und Moral verstößt. Ferner müsse sich jeder Bewerber damit einverstanden erklären, auf Ansprüche gegen ICANN zu verzichten. Und schließlich will er in Erfahrung gebracht haben, dass dem ICANN-Personal ein Bonus zufließt, wenn der Einführungsprozess abgeschlossen ist. Reaktionen von ICANN auf diese Vorwürfe gibt es bisher nicht.