IANA

Die Krimkrise bringt ICANN in die Bredouille

Die Internet-Verwaltung ICANN ist ungewollt in die politischen Auseinandersetzungen um die Halbinsel Krim geraten: die Frage, welche Zeit auf der Krim gilt, lässt auch die technischen IANA-Funktionen nicht unberührt. Doch die Lösung scheint schon gefunden.

Geht es nach der Website des Auswärtigen Amts, ist die Rechtslage klar: die Annexion der Krim durch Russland unter Einsatz militärischer Kräfte war völkerrechtswidrig. Doch in der Praxis des Internets ist es komplizierter. Zu den Aufgaben von ICANN gehören unter anderem die so genannten »IANA functions«; sie umfassen die Zuordnung von IP-Adressen durch die Internet Assigned Numbers Authority (IANA). Ein öffentlich bisher wenig beachteter Teil ist aber auch die Verwaltung der »Time zone database«, also die Zuordnung einer Region zu einer Zeitzone, so dass alle Computer darauf zugreifen können. Hauptverantwortlich zeichnet dort der IT-Experte Paul Eggert von der University of California. Im Jahr 2019 gab es bisher sechs Änderungen an der auch als »TZ Database« bekannten Datenbank.

Im Zuge der Annektion der Halbinsel Krim im Jahre 2014 hat die russische Regierung veranlasst, dass die Uhren dort auf Moskauer Zeit umgestellt werden, also drei Stunden vor der koordinierten Weltzeit (UTC) oder international geschrieben auch als UTC+3. Für den Rest der Ukraine gilt jedoch die bisherige Zeit fort, also im Winterhalbjahr UTC+2. Während der Wintermonate ist die Krim der Ukraine also zeitlich gesehen eine Stunde voraus. Diese Änderung wirkt sich auch auf die jeweiligen Länderendungen aus. Wer im Winter auf der Krim seine Computer zeitlich konfigurieren möchte oder muss, erhält die Zeit für .ru (Russland) anstatt von .ua (Ukraine) angezeigt. Serhii Demediuk, Leiter der Cyberpolizei im »Department of the National Police of Ukraine«, ist damit nicht einverstanden; er hält dies für eine Legalisierung der russischen Handlungen, was nach ukrainischem Recht strafbar sei; er drohte Eggert deshalb gar die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens an. Eggert hat daher reagiert; im Sinne eines klassischen Kompromisses enthält die »TZ Database« seitdem die beiden Einträge »Europe/Simferopol« und »Europe/Kiev«, zwischen denen der Nutzer wählen kann. Ob sich die Ukraine damit auf Dauer zufrieden gibt, ist aktuell noch unklar; ein Ermittlungsverfahren gegen Eggert hat es bisher aber offenbar nicht gegeben.

ICANN ist damit nicht zum ersten Mal Teil von politischen Auseinandersetzungen geworden. So steht derzeit die Top Level Domain .io, offizielles Länderkürzel des Britischen Territoriums im Indischen Ozean, vor einer ungewissen Zukunft. Am 22. Mai 2019 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, mit der die Besetzung des Chagos-Archipels durch Großbritannien verurteilt wurde; endet aber die britische Verwaltung des Chagos-Archipels, endet damit grundsätzlich auch das Britische Territorium im Indischen Ozean. Sollte »io« daraufhin aus der ISO 3166-1-Standardliste gestrichen werden, müsste auch .io gestrichen werden. Dagegen belegt die unveränderte Existenz von .su, dem offiziellen Landeskürzel der 1991 aufgelösten Sowjetunion, dass die politischen Grenzen der realen Welt mit dem Domain Name System nicht immer übereinstimmen müssen.

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