Der Finanzinvestor Ethos Capital gibt nach: gleich mehrere Kompromissvorschläge sollen den umstrittenen Verkauf der .org-Verwalterin Public Interest Registry (PIR) noch retten. Unter anderem will sich Ethos Capital verpflichten, die Gebühren lediglich in engen Grenzen zu erhöhen.
Den Vorschlägen vorausgegangen war ein Schreiben vom 13. Februar 2020, in dem Maarten Botterman, Chair des ICANN Board of Directors, gegenüber Gonzalo Camarillo, Chair des Board of Trustees der Internet Society (ISOC), keinen Zweifel daran ließ, den .org-Deal platzen lassen zu können. Verpackt in 18 Fragen ging es Botterman vor allem darum, die Absichten hinter diesem Deal zu verstehen und sicherzustellen, dass die neue Inhaberstruktur auch weiterhin den einzigartigen Zwecken von .org gerecht wird. Dabei bezieht sich ICANN auf Verpflichtungen aus dem Jahr 2002 im Zuge der Vergabe von .org an ISOC »on how it would, among other things, differentiate the .ORG TLD, ensure responsiveness to the non-commercial community, and foster support from .ORG registrants«. Für die Beantwortung der Fragen setzte Botterman eine Frist bis zum 24. Februar 2020. Parallel kündigte das ISOC-interne Chapters Advisory Council an, eine Empfehlung an die eigene Geschäftsleitung abgeben zu wollen, ob die Transaktion noch gestoppt werden sollte, wenn nicht eine Reihe von Bedingungen erfüllt würden; gemeint sind unter anderem zusätzliche vertragliche Details der Anteilsübertragung.
Doch bis 24. Februar 2020 musste ICANN gar nicht warten. Bereits am 21. Februar 2020 erklärte sich Ethos Capital bereit, den Registry-Vertrag (RA) für .org durch ein »Public Interest Commitment« (PIC) freiwillig zu ergänzen. Demnach sollen Gebühren für .org-Domains innerhalb von acht Jahren ab Beginn des aktuellen RA nicht um »more than 10% per year on average« steigen, wobei auch »front-loading« ausgeschlossen sein soll. Das würde bedeuten, dass zumindest vorübergehend wieder eine Gebührendeckelung eingreifen würde, auch wenn der Zusatz »on average« viel Raum für Spekulation lässt. Zudem will man ein »Stewardship Council« einführen, das unabhängigen Rat gibt und ein Vetorecht bei »(1) censorship and freedom of expression and (2) use of .ORG registrant and user data« erhält. Wer Mitglied des Council werden soll, ließ Ethos Capital aber offen, schloss lediglich PIR-Angehörige aus. Ferner soll ein »Community Enablement Fund« mit mindestens US$ 10 Mio. die Kritiker besänftigen und »support for initiatives benefitting .ORG registrants« zur Verfügung stellen. Über die Einhaltung dieser Pflichten will PIR schließlich in einem »Annual Public Report« berichten. Die Internet-Verwaltung ICANN hat sich zu alldem bisher öffentlich noch nicht geäußert.
Unterdessen hat der ehemalige ICANN-CEO Rod Beckstrom Stellung zum .org-Transfer genommen. Bei der Veranstaltung »Controversial Sale of the .ORG Registry: the Conversation We Should Be Having« an der American University Washington College of Law äusserte sich Beckstrom wie folgt:
I felt incredibly sad. I was just shocked. Not just because this non-profit asset was being monetized, but because of how it was handled. And the lack of openness and transparency.
Beckstrom kritisierte insbesondere, dass die Gemeinnützigkeit zu Gunsten finanzieller Interessen geopfert wurde. Einen Verstoß gegen die ISOC-Statuten wollte er nicht ausschließen; es sei Aufgabe der Finanzbehörden, das zu prüfen. Zudem sei der Verkauf »massively underpriced«, insbesondere im Vergleich zu .com, obwohl es bei .org keine Gebührendeckelung mehr gebe. Nach mittlerweile bestätigten Angaben zahlt Ethos Capital US$ 1,135 Mrd. für die Anteile an PIR.